Ein gefährlicher Gentleman
blickte ihn aus ihren wunderschönen Augen an, die ihn bis in seine Träume verfolgten. Erotische Träume, wohlgemerkt, von deren Existenz junge, unschuldige Mädchen nicht einmal ahnen sollten, dass es sie gab. Sie sagte: »Ich kann mir nicht vorstellen, wieso es dich interessiert, wer mir Blumen und Nachrichten schickt.«
Es war einfach, Ausflüchte zu finden. Langsam wurde er recht geübt darin. »Vielleicht solltest du ein eigenes Treibhaus eröffnen. Oder noch besser einen Laden, in dem du die Blumenarrangements verkaufen kannst. Ich helfe dir gerne bei der Suche nach dem richtigen Namen. Oh ja! Wir nennen es ›Els verschmähte Straußparade‹, oder vielleicht ›Die Fundgrube ungewollter Rosen‹ oder …«
»Ich rate dir, lieber damit aufzuhören, so krampfhaft lustig zu sein, Miles. Das gelingt dir nämlich überhaupt nicht.« Sie betrat den Raum und widmete ihn keines Blicks. Die Chrysanthemen und die anderen Blumensträuße in den Kristallvasen fesselten anscheinend ihre Aufmerksamkeit. Eine Fingerspitze berührte eine gelbe Rose. »Du findest es unangemessen, wenn Gentlemen einer Lady Blumen schicken, schon verstanden. Was würdest du denn tun?«
Ihr Profil war die reine Perfektion und ihm so vertraut, dass er die Augen schließen konnte und es noch immer sah. Miles konnte sich nicht an das Leben erinnern, bevor er sie kannte, und bestimmt konnte er sich kein Leben vorstellen, in dem sich ihre Wege trennten. Gedankenverloren versäumte er, ihre Frage zu beantworten.
Wie lautete ihre Frage gleich noch?
»Was halte ich von wem?«, fragte er dümmlich. Er bewunderte die schlanke, elfenbeinfarbene Linie ihres Halses. Die kleine Kuhle zwischen ihren Schlüsselbeinen war so zart und geradezu perfekt , er konnte sich lebhaft vorstellen, seinen Mund auf genau diese Stelle zu drücken …
In ihren silbernen Augen flackerte eine amüsierte Verärgerung auf. »Sei doch nicht so begriffsstutzig. Wenn du um eine Lady wirbst, wie gehst du dann vor?«
Er warb natürlich um Frauen. Nicht so, wie sie es sich vorstellte. Natürlich lebte er nicht zölibatär, er hatte schon die eine oder andere sexuelle Begegnung mit dem anderen Geschlecht, die zumeist höchst ungezwungen vonstattenging. Aber er warb um niemanden ernsthaft. Er liebte Elizabeth inzwischen so lange, dass er sich nicht vorstellen konnte, ernsthaft an einer anderen Frau interessiert zu sein. Aber vielleicht änderte sich das, sobald sie verheiratet und unwiderruflich außerhalb seiner Reichweite war, sagte er sich. Vielleicht konnte er sie dann vergessen.
Vergessen? Nein, das war unmöglich. Wenn sie heiratete, musste er sich daran gewöhnen, sie nicht länger als Teil seines Lebens zu begreifen.
Das war vermutlich genauso unmöglich. Insgesamt war diese drohende Erfahrung für ihn eine Lehrstunde im Ertragen tiefsten Elends.
»Ich verschwende mein Geld nicht für Töpfe mit Blümchen, das steht schon mal fest. So was finde ich wenig originell.« Er zeigte auf eine kleine Silbervase mit hübschen Veilchen. »Lord Peter scheint anderer Ansicht zu sein.«
»Wollen wir uns schon wieder über dieses langweilige Thema streiten? Im Übrigen vermeidest du es nach wie vor, meine Frage zu beantworten.«
Wenn sie ihm ihr Profil zuwandte, konnte er den zarten Fächer ihrer Wimpern sehen wie auch die bezaubernde – zumindest für ihn war sie bezaubernd – Form ihrer winzigen Stupsnase. Er rang um eine Antwort. »Ich habe mich bisher nicht angestrengt, die Gunst einer besonderen Lady zu gewinnen. Ich bin schließlich erst 22.«
»Ich bin erst neunzehn«, erinnerte sie ihn treffsicher. Sie wandte sich ihm zu. »Trotzdem soll ich mich schier überschlagen und einen Ehemann finden. Als ob die Höllenhunde mir auf den Fersen sind.«
Er konnte nicht anders, bei dem bitteren Tonfall, der in ihrer Stimme mitschwang und aufgrund dieses alles andere als himmlischen Vergleichs musste er grinsen. »Ich dachte, alle jungen Frauen wünschen sich nichts sehnlicher. Sie wollen sich einen ahnungslosen Mann schnappen und ihn zwingen, sich ein Leben lang für seine schlechten Eigenschaften tadeln zu lassen und sein sauer verdientes Geld für weiblichen Firlefanz aus dem Fenster zu werfen.«
»Wenn das wirklich so kommt, dann nur, weil man uns dazu zwingt«, erwiderte Elizabeth mit der ihr innewohnenden Leidenschaft. »Ich beneide Lady Brewer, wenn ich ehrlich bin. Wenn sie und Luke ein Liebespaar sind, hat sie die Entscheidung allein getroffen, und sie ist nicht gezwungen,
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