Ein gefährlicher Gentleman
unbedingt wissen musste, wer der Absender war.
Seine lüsterne Lordschaft möge verflucht sein.
Mit zitternden Fingern hob sie den beigefügten Zettel hoch. Ich weiß es zwar nicht mit absoluter Sicherheit, aber ich kann zumindest vermuten, was sich zugetragen hat, stand darauf.
Dass sie das Tagebuch wieder in ihren Besitz hatte bringen können, beendete die Angelegenheit also nicht. Sie hatte es die ganze Zeit geahnt, obwohl Luke ihr versichert hatte, Fitch werde es sich das nächste Mal zweimal überlegen, ehe er sie belästigte. Nachdem sie die Affäre mit Luke so offen zur Schau gestellt hatte, hatte er gehofft, Fitch würde sie in Ruhe lassen. Aber es gab nun einmal ein Problem, wenn Männer mit Ehrgefühl sich ihren ebenbürtigen, weniger ehrenhaften Gegenspielern stellten: Die ehrenhaften Gentlemen verstanden nichts von den Untiefen schwarzer Seelen. Sie wussten nicht, wie die wahrhaft Verabscheuungswürdigen dachten. Dies war kein Krieg, der ehrenvollen Regeln gehorchte. Luke konnte nicht begreifen, wieso ein Mann wie Fitch eine Frau schikanierte.
Immerhin hatte Luke ihr das Tagebuch zurückgeholt, auch wenn nun ziemlich deutlich war, dass Fitch sich wieder allzu gut an einige Details erinnerte.
Colin hatte ihr einmal schwarze Strümpfe und einen roten Strumpfhalter gekauft. Er hatte sie ermutigt, beides hin und wieder zu tragen. Es war ein Spiel, an dem sie gemeinsam Gefallen fanden. Eine Fantasie, die ihr Ehemann ersonnen hatte. Die Vorstellung, jemand könne mit diesen intimen Details vertraut sein, machte sie wütend.
Sie schämte sich nicht, sondern sie war verärgert und ein bisschen verlegen.
Sie hatte die passende Textstelle erst vor wenigen Tagen bei der Lektüre der Einträge ihres Mannes gefunden. Sie konnte sich recht gut an seine Ausführungen erinnern.
Montag, den 16ten April im Jahre 1808
Als ich mich gestern Abend zur Ruhe begab, durfte ich zu meiner Freude feststellen, dass meine Frau das Geschenk angelegt hat. Der Anblick, wie sie mich in ihrem Schlafzimmer auf dem Bett liegend erwartete und nichts trug außer den Strümpfen und den Strumpfhalter, hat mich so erregt, dass ich mir die Kleider geradezu vom Leib riss. Ich war vielleicht zu stürmisch, aber sie schien unsere Vereinigung ebenso sehr zu genießen wie ich. Sie ist so hell, und der Kontrast aus schwarzer Seide und ihrer blassen Haut war zutiefst aufreizend. Ich kann es nicht in die richtigen Worte kleiden … Ich weiß, wie züchtig und tugendhaft sie ist, weshalb mir dieser Anblick besonders gefiel. Obwohl ich seit meiner Heirat nicht mehr auf der Suche nach Abenteuern bin, habe ich doch in der Vergangenheit eine Vielzahl Gefährtinnen gehabt, die mit mir das Bett teilten. Madelines Reiz jedoch ist unvergleichlich. Ich bin wahrhaft ein glücklicher Mann … Jetzt überlege ich, was ich ihr als Nächstes kaufen könnte …
Das dezente Räuspern direkt vor ihr brachte Madeline abrupt wieder zurück in die Gegenwart. Sie blickte auf.
»Dies wurde soeben für Euch abgegeben, Mylady.« Hubert stand in der Tür. Dieses Mal hielt er eine kleine Schachtel in der Hand, die in silbernes Papier gewickelt war. »Es sieht so aus, als wäre heute ein Tag für Lieferungen und Besucher.«
Besucher? Sie war froh, dass sie die Seidenstrümpfe bereits wieder in der Schachtel verstaut hatte. »Wer ist denn da, Hubert?«
»Eure Mutter und Eure Tante, Mylady.«
Das war kaum ein glücklicher Zeitpunkt, um die beiden zu empfangen. Sie rang sich ein Lächeln ab und nahm das sorgfältig verpackte Geschenk entgegen. Wenigstens wurde dieses mit einem Kärtchen überreicht, anders als Fitchs Gabe. Sie legte das Päckchen neben sich auf einen kleinen Tisch. »Bitte bringt die beiden herein, und lasst uns Tee und Erfrischungen bringen.«
»Ja, Madam.«
Sie atmete bewusst tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Unauffällig legte sie den Deckel auf die Schachtel mit Fitchs widerlichem Geschenk, stellte sie neben ihrem Stuhl auf den Boden und legte dann die Arme um ihren Oberkörper. Als ihre Mutter und Tante Ida durch die Tür segelten, lächelte sie und hoffte, sie wirkte gefasst. Madeline stand auf und ging ihnen entgegen, um sie pflichtbewusst auf die Wange zu küssen. »Wie lieb von euch, bei mir vorbeizuschauen.«
Ihre Tante war älter als ihre Mutter. Das helle Haar trug sie zu einem festen Knoten am Hinterkopf hochgesteckt. Sie strahlte eine missbilligende Haltung aus, die angesichts der Umstände besonders irritierend war. Von allen
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