Ein gefährlicher Gentleman
Zurückhaltung oder Vorbehalt geliebt. War der Impuls, sich in ihr zu verströmen, wirklich so unbewusst gewesen? Lag es nur an der herrlichen Lust? Oder spielte er mit dem Schicksal, das über seine Zukunft entscheiden sollte?
Morgen, versprach er sich. Er war befriedigt und war sich nur zu sehr ihres weichen, verführerischen Körpers bewusst, der sich an seinen schmiegte und ihm deutlich machte, welch flüchtiges Gefühl Glück sein konnte. Morgen früh würde er sich seiner Beunruhigung stellen. Aber für den Moment …
»Lord Fitch hat mir etwas geschickt.«
Die leise Bemerkung zerriss die Stille. Luke hob den Kopf und blickte zu Madeline, die das Gesicht abgewandt hatte. »Wie bitte?«
»Auf die ihm eigene, eklige Art.« Sie verzog das Gesicht. »Einen Strumpfhalter nebst Strümpfen. Colin … also, er mochte es, wenn ich für ihn Strümpfe und Strumpfhalter trug und sonst nichts. Ich habe noch nicht das ganze Tagebuch gelesen, aber … aber ich weiß, es steht darin. Es muss von Fitch kommen. Niemand sonst kann etwas davon wissen.«
Michael könnte es wissen, aber Michael war der Letzte, der Madeline so quälen würde. Ganz im Gegenteil. Ohne Zögern hatte er das Tagebuch für sie zurückgeholt. Zudem hatte er sich kritisch darüber geäußert, weil Fitch mit seinen Bemerkungen ihren tadellosen Ruf zu beflecken trachtete. Lukes Hand, die bisher besitzergreifend auf ihrem Bauch geruht hatte, zog sie unwillkürlich an sich, als wollte er sie beschützen. In seiner Stimme lag eine tödliche Ruhe, als er antwortete: »Der Earl verspürt wohl nicht den Wunsch, ein hohes Alter zu erreichen. Ich bin seine Mätzchen langsam leid.«
»Er ist es nicht wert, bei Sonnenaufgang aufzustehen.« Sie berührte seine Hand, legte ihre Finger auf den Handrücken, ehe sie sich mit seinen Fingern kreuzten. »Aber du bist rührend besorgt und ritterlich.«
Diese Ritterlichkeit war in seinen Augen eher fragwürdiger Natur. Versetzte ihn der Gedanke, Fitch könne sie weiter quälen, in Rage? Auf jeden Fall. »Fitchs grausame Taten müssen ihm ausgetrieben werden. Es wäre mir ein Vergnügen, das zu übernehmen.«
»Tu das nicht. Um meinetwillen.« Madeline wandte sich ihm zu. Sie schmiegte ihren schlanken, warmen Körper an seinen. In ihrer Stimme schwang etwas Schläfriges mit, weil er sie so lange wachgehalten hatte. »Ich habe dir nur davon erzählt, weil es sonst niemanden gibt, mit dem ich darüber reden kann. Und ich bin deshalb ganz durcheinander.«
Ein Grund mehr für ihn, den Mann zu vernichten, der für ihr Unbehagen verantwortlich war. »Denk einfach nicht mehr darüber nach. Denk nicht mehr an ihn«, forderte er sie auf. Er küsste die winzige, zarte Kuhle hinter ihrem Ohr. »Er wird bald mit seinen verdorbenen Scherzen aufhören. Ich gebe dir mein Wort.«
»Hm …«
Das war wohl kaum eine Antwort. Er bemerkte, wie rasch sie in den Schlaf fiel, weshalb er sich fragte, ob sie letzte Nacht überhaupt Schlaf gefunden hatte. Im Mondlicht schimmerte ihr Haar hell, und er hielt sie vorsichtig in den Armen. Sie so an sich gedrückt zu spüren war ganz anders als die explosive Leidenschaft, die sie vorhin erfasst hatte.
Wenn er die Vergangenheit bloß ungeschehen machen könnte.
Aber das konnte er nicht, oh nein. Es wäre emotionaler Selbstmord, wenn er es bloß versuchte, und er war es leid, sich auf dem Altar der freudlosen Erinnerung zu opfern. Die bittere Erfahrung war da – bis zu einem gewissen Grad musste sich jedes menschliche Wesen diesen Erfahrungen stellen, da das Leben immer Verlust und Verrat mit sich brachte – und wenn er sich dieser Tatsache stellte, war er ein Pragmatiker und kein Träumer.
Maria hatte ihm freigiebig und herzlich vertraut. Sie hatte sein Kind unter dem Herzen getragen, und er hatte sie geheiratet. Und dann war sie gestorben.
Das Muster, das sich zu wiederholen schien, versetzte ihn in Angst.
In Spanien hatte er in einer einzigen, kühlen Frühlingsnacht das Träumen verlernt.
Ich kann vielleicht nicht vor ihr knien und ihr ewige Liebe schwören, dachte er, während die Kerzen flackerten und ihn in die nächtliche Dunkelheit entließen. Aber ich kann Madeline vor den Machenschaften ihres Angstgegners bewahren.
So zauberhaft der Abend auch gewesen war, nahm die bevorstehende Trennung im Licht des neuen Tages doch konkrete Formen an, die keinem von ihnen gefiel.
Sie hatten ihr Frühstück in dem kleinen, zurückgezogenen Hinterzimmer eingenommen, wo am Vorabend das Dinner
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