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Ein gefährlicher Gentleman

Ein gefährlicher Gentleman

Titel: Ein gefährlicher Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Wildes
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meisten – dann war es seine Ehrlichkeit. Darum hatte er früher den Großteil der Strafen abbekommen, als sie noch Kinder waren, denn wenn sie bei ihren kleinen Sünden erwischt wurden und Liebreiz nicht half, hatte er immer die Wahrheit gesagt, wenn man ihn direkt fragte.
    Jetzt war sein Schweigen überaus beredt. Er wich ihrem Blick aus.
    »Siehst du!«, rief sie anklagend.
    Noch interessanter war, wie sein Blick sich unverwandt auf den Brunnen richtete. Oh nein, tatsächlich schaute er dorthin, wo ihre Beine unter den gerafften Röcken im klaren Wasser sichtbar sein mussten.
    Er hat meine Knöchel doch schon häufiger gesehen, als ich zählen kann, erinnerte sie sich, während sie auf seine Antwort wartete. Allerdings … in letzter Zeit nicht mehr.
    »Es schien mir das Beste zu sein.« Er riss den Blick von ihren Beinen los und schaute in ihr Gesicht.
    Sie trat mit den Füßen ins Wasser. Silbrige Tropfenregen stiegen auf. »Wieso?«
    »Ich nehme deine Entschuldigung an.« Seine Miene war höflich und bewusst gleichgültig. Geschickt umschiffte er ihre Frage.
    Es würde dem Chaos ihrer Gefühle nicht annähernd gerecht werden, wenn sie behauptete, dass ihre Frustration über diese Situation jeden Aspekt ihres Lebens beeinflusste. Außerdem war er einfach so sehr wie … er selbst. Ohne darüber nachzudenken, beugte Elizabeth sich nach vorne und spritzte eine Handvoll Wasser aus dem Brunnen direkt in seine Richtung. Ein Akt der Verzweiflung.
    Er war ihr recht nahe gekommen, weshalb die Tropfen sein weißes Hemd durchnässten, ein paar Tropfen rannen über seine Wange, wie sie zufrieden feststellte. »Wofür zum Teufel war das denn?«, murmelte er, zog ein Taschentuch hervor und wischte sich übers Gesicht.
    Statt einer Antwort spritzte sie ihn erneut nass. Diesmal mit noch mehr Schwung.
    »El!«
    Der Spitzname, den nur er benutzte und bloß dann verwendete, wenn er wütend war, besänftigte ihre aufrührerische Laune. Elizabeth hätte ihn auch noch ein drittes Mal nass gespritzt, aber jetzt machte er einen Schritt nach vorne, umfasste ihre Taille und riss sie hoch. Er stellte sie auf ihre nassen Füße und riss sie herum, damit sie ihn ansah. Seine Hände gruben sich schmerzhaft in ihre Schultern.
    »Wir sind keine Kinder mehr. Also verhalt dich gefälligst nicht so«, fuhr er sie an.
    Als er nach Hause gekommen und den Mantel abgelegt hatte, hatte er sich auch der Krawatte entledigt. Sein Hemd stand etwas offen und gewährte ihr einen flüchtigen Blick auf seine Brust und die muskulöse Säule seines Halses. Ein Wassertropfen rann an seinem Hals hinab und verschwand unter dem Kragen des feinen Leinenhemds. Elizabeth beobachtete fasziniert den Weg, den der Tropfen nahm. Sie standen dicht voreinander, und sie erhaschte den Duft nach Sandelholz und sauberer Wäsche, der ihn umgab. Männlich und faszinierend.
    »Nein, wir sind keine Kinder mehr«, stimmte sie leise zu. Dann machte sie den Fehler, zu ihm aufzublicken.
    Er wollte sie küssen. Diese Erkenntnis war im Grunde kein Schock für sie, nein, sie verstand sogar seinen Wunsch. Als führten seine Hände, die noch immer ihre Schultern umfasst hielten, eine stumme Unterhaltung mit ihrem Körper. Seine Lider senkten sich leicht, und sie hörte, wie er rasch einatmete.
    Die Überraschung war eher, dass sie und Miles, obwohl sie sonst selten einer Meinung waren, in diesem Moment in völligem Einvernehmen standen. Ein Kuss war genau das, was auch sie wollte.
    Die Sonne muss dafür verantwortlich sein, dass ihre Wangen gerötet sind, redete Miles sich ein. Vielleicht auch ihr kleiner Wutanfall, aber nichts von beidem konnte dafür verantwortlich gemacht werden, wie sie zu ihm aufblickte. Halb anklagend, halb wissend, als verstünde sie trotz ihrer Unschuld ganz genau, welche besitzergreifenden Gedanken ihm in diesem Augenblick durch den Kopf gingen.
    Die weibliche Intuition soll verflucht sein.
    Doch obwohl sie wusste, wonach er sich so verzweifelt sehnte – und er war ziemlich sicher, dass sie es wusste – wich Elizabeth nicht vor ihm zurück. Ganz im Gegenteil. Sie blickte erwartungsvoll zu ihm auf. Ihre verlockend rosigen Lippen waren eine Winzigkeit geöffnet. In dem schlichten Kleid aus gekräuseltem Musselin sah sie einfach wunderschön aus, und das Haar hatte sie mit einem weißen Satinband einfach zurückgebunden. Sein Herz hätte beinahe ausgesetzt, als er auf die Terrasse trat und sie mitten im Garten sitzen sah, der in helles Sonnenlicht getaucht war. Sie

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