Ein gefaehrlicher Liebhaber
würde nicht erfahren, was er getan hatte; sie würde heulen, weil ihre Lieblingspuppe weg war, aber ihm könnte man nichts vorwerfen. Er würde sein Wissen wie einen Schatz hüten, und jedes Mal, wenn er sie ansah, würde er sich ins Fäustchen lachen, weil er es wusste und sie nicht.
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Mit zornig zusammengepressten Lippen betrat Jillian Sherwood ihre Apartmentwohnung. Die Wohnung war ganz neu, kaum zwei Jahre alt, und normalerweise empfand sie jedes Mal Stolz und ein tiefes Glücksgefühl, sobald sie über die Schwelle trat, denn die Wohnung sah nicht nur umwerfend aus, sie gehörte ihr auch noch. Doch heute war kein normaler Tag, und sie würdigte das kühle, entspannende Interieur keines Blickes. Sie hängte ihre Schultertasche ans Foyertischchen und stapfte hinaus auf den Balkon. Sie war so wütend, dass sie das Gefühl hatte, gleich platzen zu müssen, wenn sie sich noch eine Sekunde länger in einem geschlossenen Raum aufhielte.
Unbeweglich stand sie in der schwülen Hitze des Spätfrühlings von Los Angeles, die Hände auf die hüfthohe steinerne Balkonbrüstung gestützt. Von hier aus hatte man einen wunderschönen Blick über die Stadt, den sie normalerweise genoss, doch heute war sie so wütend, dass sie nichts um sich herum wahrnahm.
Zur Hölle mit diesen engstirnigen Arschlöchern!
Sie hatte alles getan, was sie konnte, hatte es sich verdient, an der Ouosalla-Ausgrabung in Ostafrika teilzunehmen; es war der wichtigste und größte Fund seit Jahrzehnten, und ihr lief buchstäblich das Wasser im Mund zusammen, wenn sie nur daran dachte, dabei zu sein. Nie hatte sie sich etwas mehr gewünscht, als die alte Stadt, die erst kürzlich an der
afrikanischen Küste des Roten Meers entdeckt worden war, mit ausgraben zu helfen. Das Projekt wurde von der Frost Foundation finanziert, der Stiftung also, für die sie arbeitete. Sie hatte sich kaum bezähmen können vor Freude, als sie das schriftliche Ersuchen um Teilnahme einreichte.
Und wieso hätte sie auch nicht erwarten sollen, als Mitglied des Ausgrabungsteams ausgewählt zu werden? Ihre Arbeiten waren bis über den grünen Klee gelobt worden, ebenso ihre Ausgrabungsberichte, die in mehreren renommierten Fachblättern veröffentlicht worden waren. Sie besaß einen Doktor in Archäologie und hatte bereits an mehreren kleineren Ausgrabungen in Afrika teilgenommen; ihre Vorkenntnisse wären für eine so wichtige Fundstätte wie die in Ouosalla von unschätzbarem Wert. Nur die Besten kämen dafür infrage, und sie wusste, dass sie zu den Besten zählte. Sie besaß Erfahrung, Enthusiasmus und war ein wahres Arbeitspferd. Außerdem verfügte sie über jenen flinken, praktischen Verstand, der es Archäologen ermöglichte, aus winzigen Fragmenten das Leben in einer längst zurückliegenden Vergangenheit zusammenzupuzzeln. Es gab keinen Grund, sie nicht auszuwählen.
Aber sie war trotzdem übergangen worden, übergangen von jenen Vollidioten, jenen Dünnbrettbohrern, die an der Spitze der Stiftung saßen, denn für diese Leute gab es einen triftigen Grund, sie zu übergehen: Ihr Name war Sherwood.
Der Leiter der Abteilung hatte kein Blatt vor den Mund genommen: Die Tochter vom »Spinner« Cyrus Sherwood wäre kein Prestigeobjekt, egal für welches Ausgrabungsteam. Der Ruf ihres Vaters, wilden Theorien nachzujagen, überschattete ihre solide Leistung und bekannte Zuverlässigkeit.
Es war, als würde sie mit dem Kopf gegen eine Wand anrennen, es war so ungerecht, so scheiß ungerecht. Ihr Vater war der Meinung gewesen, sie hätte genug Dickköpfigkeit für drei, aber in diesem Fall kam selbst sie nicht weiter. Sie liebte die Archäologie, hatte nie etwas anderes gedacht und gemacht - und würde sich nie mit etwas anderem beschäftigen wollen. Aber die oberen Ränge der von ihr gewählten Karriere blieben ihr aufgrund ihres Namens verschlossen. Ausgrabungen verschlangen gewöhnlich sehr viel Geld, und Sponsoren fielen nicht gerade von den Bäumen. Die Schlacht um die vorhandenen Gelder war mörderisch. Daher konnte es sich kein achtbares Team leisten, sie auf eine größere Ausgrabung mitzunehmen. Schon ihre Anwesenheit genügte, den Wert der Funde in Zweifel zu ziehen, was zum Verlust der Sponsorengeider geführt hätte.
Selbst wenn sie ihren Namen ändern würde, würde ihr das nichts helfen; die Welt der Archäologie war ein Dorf, in dem sie zu viele Leute kannten. Wenn doch nicht alles immer nur Politik wäre! Nur wer bekannt war und einen großen Namen hatte,
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