Ein gefaehrlicher Liebhaber
Plane wurde es nun kalt, und Jillian begann zu zittern. In der Bucht war es zwar viel ruhiger als auf dem offenen Fluss, doch selbst hier wurde das Boot von dem Sturm hin- und hergeschüttelt. Ein paar vereinzelte schwere Regentropfen platschten aufs Bootsdach, und dann öffnete der Himmel seine Schleusen. An eine Unterhaltung war nicht zu denken, es wäre sinnlos gewesen, kam es ihr doch vor, als säßen sie im Inneren einer Pauke.
Doch niemand schien sich groß um das Spektakel zu kümmern. Offensichtlich hatten alle Derartiges schon öfter erlebt. Pepe, der Indio, hockte sich in eine Ecke und wartete ruhig ab. Die Brasilianer suchten sich ein geschütztes Eckchen und rauchten. Ben setzte sich neben sie, schlang den Arm um ihre Schultern und zog sie an seinen harten, warmen Leib.
Sie wollte ihn abschütteln, doch er ließ nicht los. Da schaute sie zu ihm auf, um ihm eine verbale Abreibung zu verpassen. Doch seine blauen Augen ruhten mit einem warnenden Ausdruck auf ihr, und da begriff sie. Die anderen hatten natürlich bemerkt, was er tat. Er hatte seinen Anspruch auf sie somit in aller Öffentlichkeit demonstriert. Sie war realistisch genug, um zu begreifen, dass er ihr damit, angesichts des hier herrschenden Machismo, ein gewisses Maß an Sicherheit bot.
Also blieb sie sitzen, wo sie war, und ließ sich von seiner
Körperwärme durchdringen. Unwillkürlich empfand sie ein tiefes, ausgesprochen primitives Behagen. Das Gleiche hatten Frauen wohl schon vor Tausenden von Jahren empfunden, vor dem Lagerfeuer in der Höhle, wenn sie sich an ihre starken, muskulösen Männer schmiegten, Männer, deren Stärke der Familie Nahrung und Überleben sicherte, die sie vor allen Gefahren und Unbilden des Lebens beschützte. Sie mochte Archäologin und nicht Anthropologin sein, doch der Verführungskraft seiner Stärke war sie sich sehr wohl bewusst. Ein paar Hundert Jahre Zivilisation konnten Instinkte nicht ersticken, die es seit Millionen von Jahren gab.
In diesem Moment erkannte sie, wie leicht es für ein dominantes Männchen in einer Gruppe war, jedes Weibchen, das er haben wollte, zu erobern, denn gerade aufgrund seiner Dominanz war er der Kandidat ihrer Wahl. Ben war definitiv das dominante Männchen in dieser Gruppe, und sie war das einzige Weibchen. Er hatte recht gehabt, sie davor zu warnen, als einzige Frau an dieser Expedition teilzunehmen. Es war eine unausgewogene Situation, wie er sofort erkannt hatte, während sie als gebildete, emanzipierte Städterin die Naturgesetze des Lebens außer Acht gelassen hatte.
Ihn von ihrem Zelt abzubringen würde verflixt schwierig werden, noch dazu, da sie aufeinander angewiesen waren und somit Zusammenhalten mussten. Er schien davon überzeugt zu sein, dass sie ihm nicht lange würde widerstehen können, und sie musste zugeben, dass er in diesem so uralten Spiel der Geschlechter eindeutig die Oberhand hatte. Sie musste nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen sich selbst ankämpfen, gegen ihre sexuellen Reaktionen, die plötzlich zum Leben erwacht waren. Körperlich fühlte sie sich magisch zu ihm hingezogen; mental wollte sie keine Affäre, wollte keine erotischen Verwicklungen. Sie war alleine stark und überlebensfähig. Nein, eine Affäre brächte nur Komplikationen.
Und nicht nur das, seine Selbstgefälligkeit ging ihr gewaltig gegen den Strich. Er war so sicher, sie früher oder später rumzukriegen, dass er es nicht mal zu verbergen versuchte. Seine Haltung zeigte sich in jedem unverschämten Grinsen, in dem sündigen Funkeln in seinen tiefblauen Augen. Ihr Widerstand war eine Herausforderung für ihn, doch das war genauso seine Selbstgefälligkeit für sie. Ja, ihr weiblicher Stolz hatte sich sofort auf eine längere Belagerung eingestellt und entsprechende Vorkehrungen getroffen. Alles an ihm schien zu sagen: »Dich krieg ich«, und ihre instinktive Antwort darauf war ein trotziges: »Ach ja?«
Sie besaß einen stark ausgeprägten Drang zum Gewinnen, schon immer. Egal, worum es sich handelte, sie wollte die Erste sein, ob beim Kartenspiel oder wenn es darum ging, vor einem Konkurrenten einen Parkplatz zu ergattern. Sie mochte die meisten Mannschaftssportarten, und Football liebte sie geradezu. Sie zu verführen war lediglich ein Spiel für Ben, und deshalb würde sie es nur spielen, um zu gewinnen.
Sie hatte ihn bei ihrer ersten Begegnung eindeutig unterschätzt. Doch nachdem sie wusste, woran sie mit ihm war, würde ihr dieser Fehler kein zweites Mal
Weitere Kostenlose Bücher