Ein gefährliches Geschenk
du mich erreichen. Arbeite nicht zu hart.«
Sie berührte den Schirm, als das Bild verschwand. »Du auch nicht.«
Sie setzte die Kopfhörer auf, schaltete ein und brach dann, sehr zu Erleichterung der Katze, in die Küche auf. Sobald sie seine Schale mit Tunfisch gefüllt und abgestellt hatte, stürzte er sich darauf.
Während sie sich die Erzählung über den Diamantenraub anhörte, nahm sie sich eine Flasche Wasser und gleich darauf einen Pfirsich und lief dann durch das stille, leere Haus hinunter in den Gymnastikraum.
Sie legte ihre Kleider ab, hängte ihr Pistolenhalfter an einen Haken und zog sich einen kurzen, hautengen Body an.
Sie begann mit Dehnübungen, konzentrierte sich auf die Kassette und ihre Kondition.
Dann ging sie hinüber an die Maschine, programmierte einen Hindernislauf ein, bei dem sie über verschiedene Objekte und Oberflächen laufen, klettern, rudern und mit dem Fahrrad fahren musste.
Als sie mit den Gewichten anfing, kannte sie bereits die Hauptcharaktere des Buchs und hatte eine Vorstellung von New York und einer Kleinstadt im Amerika zu Beginn des Jahrhunderts.
Gerüchte, Verbrechen, böse Jungs, gute Jungs, Sex und Mord.
So viel hatte sich eigentlich nicht verändert, überlegte sie.
Sie aktivierte den Sparring-Droiden für eine Kampfrunde und fühlte sich gelenkiger, energiegeladener und besser, nachdem sie ihn vermöbelt hatte.
Sie holte sich eine zweite Flasche Wasser aus dem Mini-Kühlschrank und verordnete sich, um mehr Zeit für das Buch zu haben, eine Sitzung für Elastizität und Gleichgewicht.
Sie schälte sich aus dem Body, warf ihn in den Wäscheschlucker und ging nackt zum Schwimmbad. Die Hörfassung noch im Ohr, tauchte sie in das kühle blaue Wasser des Pools. Nach ein paar trägen Runden ließ sie sich in die Ecke treiben und schaltete per Stimme die Wasserdüsen ein.
Ihr langer Wonneseufzer hallte von der Decke zurück.
Man konnte so oder so allein zu Hause sein, überlegte sie.
Als ihr die Augen schwer wurden, gab sie sich einen Ruck und stieg aus dem Wasser.
Sie zog sich einen Morgenmantel an, sammelte ihre Straßenkleidung und ihre Waffe ein und nahm den Aufzug hoch ins Schlafzimmer, ehe sie sich der verpassten Gelegenheit bewusst wurde.
Sie hätte nackt durchs Haus rennen können. Sie hätte nackt durchs Haus tanzen können.
Dieses kleine Vergnügen musste sie sich aufheben.
Nachdem sie geduscht und frische Sachen angezogen hatte, ging sie zurück in ihr Büro.
Sie stellte die Hörfassung so lange ab, bis sie einige Details überprüft und sich ein paar Notizen gemacht hatte.
Ganz oben auf ihrer Liste standen: Jack O’Hara, Alex Crew, William Young und Jerome Myers. Young und Myers waren schon länger als ein halbes Jahrhundert tot, denn ihre Leben endeten schon vor dem ersten Akt des Dramas.
Crew war im Gefängnis gestorben, und O’Hara war bis vor seinem ein paar Jahre zurückliegenden Tod immer mal wieder draußen und drinnen. Die vier Männer also, die die Diamanten gestohlen hatten, waren tot. Aber die wenigsten Menschen gehen ohne Beziehungen durchs Leben. Familie, Bekannte, Feinde.
Eine Beziehung zu einem Dieb könnte bedeuten, dass man selbst an die Beute kommt.
Als Belohnung, Erbe, Schuldbegleichung. Eine Beziehung zu einem Dieb könnte bedeuten, dass man weiß, wie man sich Zugang zu einem gesicherten Haus verschafft.
Blutsbande lassen sich nicht verleugnen, überlegte sie. Das sagte man oft. Sie hingegen hatte Grund zu hoffen, dass es nicht stimmte. Denn wenn es stimmte, was war sie dann, als Tochter eines Ungeheuers und einer Junkiehure? Wenn alles nur eine Frage der Gene, der DNA und der ererbten Wesenszüge war, welche Chance hatte dann ein Kind, das von zwei Menschen zu dem Zweck gezeugt worden war, daraus Profit zu schlagen? Es zur Hure zu machen. Es wie ein Tier aufwachsen zu lassen. Schlimmer als ein Tier.
Es im Dunkeln einzusperren. Allein und namenlos. Es zu schlagen. Es zu missbrauchen. Es zu verbiegen, bis es mit acht Jahren so weit war, dass es tötete, um zu entkommen.
Blut an ihren Händen. So viel Blut an ihren Händen.
»Verdammt, Verdammt, verdammt.« Sie presste ihre Augen zusammen und sperrte mit ihrem Willen die Bilder aus, ehe deren Geister sich zu einem weiteren Tagalbtraum verfestigen konnten.
Blutsbande sagten gar nichts. Die DNA macht aus uns nicht den, der wir sind. Wir machen uns selbst, wenn wir den Mumm dazu haben.
Sie zog ihre Dienstmarke aus der Tasche und hielt sie fest wie einen Talisman, wie
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