Ein gefährliches Geschenk
erkennungsdienstlichen Phantomzeichner vorzulassen. »Wir hielten es für ratsam, dass Detective Yancy Sie beide gleichzeitig unterrichtet.«
»Ich wünschte, ich hätte mehr zu bieten.« Er überreichte Ausdrucke und eine Diskette.
»Ich habe mit der Zeugin drei Stunden lang gearbeitet. Ich glaube, ich habe sie nah drangebracht, aber das ist noch kein Grund zum Feiern. Weiter bringt man sie nicht«, erklärte er und studierte den Ausdruck des Porträts, den Eve in der Hand hielt. »Man bekommt den Zeitpunkt nämlich genau mit, wann sie beginnen, sich etwas auszudenken oder Dinge zu vermischen, oder einfach weitermachen. Dann muss man aufhören und sie gehen lassen.«
Eve starrte auf die Darstellung und versuchte eine Ähnlichkeit mit Alex Crew zu entdecken. Eventuell um die Augen herum. Aber vielleicht wollte sie das auch nur sehen.
Auf jeden Fall war das kein Sechzigjähriger.
»Sie hat sich bemüht«, sprach Yancy weiter. »Ich habe wirklich alles aus ihr rausgeholt.
Wären wir schon an ihr dran gewesen, als sie diesen Typen sah, hätten wir es bestimmt exakt hingekriegt. Aber es ist viel Zeit vergangen und sie sieht jeden Tag Dutzende Männer an ihren Tischen. Als wir einen gewissen Punkt erreicht hatten, war nur noch reine Willkür im Spiel.«
»Mit Hypnose könnten wir ihrer Erinnerung womöglich auf die Sprünge helfen.«
»Das habe ich auch vorgeschlagen«, sagte er zu Eve. »Aber schon bei der bloßen Erwähnung ist sie ausgeflippt. Keine Chance. Dazu kommt, dass sie einen Medienbericht über den Mord gesehen hat und nun wahnsinnige Angst hat. Was Besseres als das werden wir nicht kriegen.«
»Aber ist er das auch?«, hakte Eve nach.
Yancy blies seine Wangen auf und ließ dann die Luft wieder raus. »Ich würde sagen, wir sind nah dran, was den Hautton, das Haar und die Grundform des Gesichts angeht. Bei den Augen dürfte die Form stimmen, für die Farbe lege ich keine Hand ins Feuer. Was das Alter angeht, meinte sie Ende zwanzig, Anfang dreißig, gab dann aber zu, dass sie dies wegen des Alters des Mädchens vermutet. Sie sprang zu dreißig, dann wieder zu zwanzig, dann vielleicht älter oder jünger. Sie glaubt, er sei reich, weil er eine teure Armbanduhr getragen, bar bezahlt und ein gutes Trinkgeld gegeben habe. Das hat bei ihrer Beschreibung eine Rolle gespielt.« Er zog eine Schulter hoch. »Glatte Haut, glatte Manieren.«
»Reicht das aus, um es an die Medien weiterzugeben, einen Versuch zu starten?«
»Würde meinen Stolz zwar kitzeln, aber ich würde es nicht tun. Versuchen Sie’s, Lieutenant, aber mein Gefühl sagt mir, dass es nichts bringt. Ich denke, ein Polizist, ein geübter Beobachter, könnte ihn darauf wiedererkennen, aber kein Normalbürger. Tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann.«
»Ist schon gut. Wahrscheinlich haben Sie uns ihm näher gebracht als jeder andere das könnte. Wir werden dies durch ein Erkennungsprogramm laufen lassen, mal sehen, ob wir auf Treffer stoßen.«
»Sie bräuchten zumindest eine dreißigprozentige Genauigkeit.« Yancy schüttelte über seiner eigenen Arbeit den Kopf. »Damit bekommen Sie allein hier in der Stadt schon ein paar tausend Treffer.«
»Es wäre ein Anfang. Danke Yancy. Commander, ich würde es gern dabei bewenden lassen.«
»Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Wieder zurück im Büro, pinnte Eve sich eine Kopie des Phantombilds an ihre Tafel.
An ihrem Schreibtisch schusterte sie ihre Notizen zu einem Bericht zusammen und las ihn dann durch, um die einzelnen Schritte und Stadien zu erkennen.
Die Personenfahndung würde sie Feeney überlassen, die elektronische Ausgrabung McNab. Sie schickte Baxter ein Memo mit den genau aufgelisteten neuen Daten und fügte eine Kopie von Yancys Skizze bei.
Während Peabody daran arbeitete, alles über die Versiegelung in Erfahrung zu bringen, beschäftigte Eve sich mit Bauplätzen. Ihr Tele-Link signalisierte ihr einen Eingang über das Datenportal, und sie schaltete um. Sie fand eine Liste sämtlicher Grundstücke mit laufenden Baugenehmigungen oder Genehmigungen zum Umbau in einem Umkreis von zehn Häuserblöcken vom Fundort.
Roarke war nicht nur schnell, überlegte sie, sondern er wusste genau, worauf es ankam, ohne dass man ihm das sagen musste.
Sie trennte zwischen bewohnten und nicht bewohnten Häusern.
Leer, überlegte sie. Verschwiegenheit. Hatte er nicht auch gewartet, bis er das Gannon-Haus leer glaubte? Es war so wenig Muster vorgegeben, dass sie das einfach
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