Ein Gentleman wagt - und gewinnt
befriedigen und mir erklären, warum Cedric und Mr. Cavanagh einander derart feindlich gesinnt sind.”
In diesem Moment wurden sie durch die Schrittabfolgen getrennt, und Abigail stellte fest, dass Barton nach wie vor bei Lady Penrose stand. Aber statt mit ihr zu plaudern, beobachtete er die Ereignisse auf der Tanzfläche.
Abbie fragte sich, ob seine finstere Miene seiner Schwester galt, die mit Cedric tanzte. Oder vielleicht ihr?
“Nein, Sir, leider nicht”, antwortete sie, als sie und Mr. Asquith wieder zusammenkamen. “Indes nehme ich an, die beiden Vettern haben nicht viel gemein.”
“Ich hoffe, Mr. Cavanagh zürnt Cedric und mir nicht, weil wir immerhin ohne Einladung auf dieser Gesellschaft erschienen sind.”
“Das halte ich für unwahrscheinlich, Sir. Obwohl ich Barton Cavanagh nicht allzu gut kenne, bezweifle ich, dass ihn solche Bagatellen ärgern würden.”
Nach dem Tanz brachte ihr Partner, dem so viele begehrliche Blicke folgten, sie zurück zu Lady Penrose. Neidlos überließ Abigail ihn den anderen Damen.
Da Barton zur Tür gegangen war und verspätete Gäste begrüßte, nutzte sie die Gelegenheit und erkundigte sich bei ihrer Patentante, ob sie über seine Familie Bescheid wisse.
“Oh ja. Während meiner ersten Saison lernte ich alle drei Cavanagh-Brüder kennen. Henry, der Älteste und Erbe des Titels, war bereits verheiratet – ebenso George, und zwar mit Bartons Mutter. Wenn ich mich recht entsinne, vermählte sich Frederic, der Jüngste, während meiner zweiten Saison. Jeder Bruder bekam einen Sohn. Vor drei oder vier Jahren erlitt Philip, Lord Cavanaghs einziges Kind, einen tödlichen Reitunfall. Es war tragisch … Wie Barton erwähnte, ging sein Onkel eine zweite Ehe ein. Soweit ich weiß, fiel seine Wahl auf eine wesentlich jüngere Witwe.”
Abbie beobachtete, wie der Gastgeber mit einer temperamentvollen jungen Frau sprach, die sie an eine gewisse andere Dame seines Bekanntenkreises erinnerte. Schmerzlich krampfte sich ihr Herz zusammen. “Ich glaube, Mr. Cavanagh mochte seinen verstorbenen Vetter sehr gern”, bemerkte sie, um ihre Gedanken in andere Bahnen zu lenken. “Für Cedric hat er gar nichts übrig. Dieser Vetter scheint ihm die vorrangige Position in der Familie zu missgönnen. Aber ich vermute, hinter seiner offenkundigen Abneigung gegen Barton steckt mehr.”
In diesem Moment gesellte sich Kitty wieder zu ihnen, die Wangen vom Tanz erhitzt. Da sie die letzten Worte gehört hatte, erklärte sie: “Cedric wird niemals vergessen, dass Barton ihn vor vielen Jahren mit einer Reitgerte schlug.” Als sie das Entsetzen ihrer Zuhörerinnen gewahrte, betonte sie: “Was ich meinem Bruder nicht verüble. Wenn er auch viele Fehler hat – niemand darf ihm vorwerfen, er würde schlecht für seine Pferde sorgen. Er verbot unserem Vetter, ein besonders wertvolles Jagdpferd zu reiten. Daran hielt Cedric sich nicht, und da verlor Barton die Beherrschung.”
Sie hob den Kopf und sah ihren Bruder herankommen.
“Mittlerweile ist er viel toleranter. In gewissen Situationen allerdings wird er immer noch furchtbar wütend.”
“Redest du schon wieder hinter meinem Rücken über mich, kleine Hexe?”, fragte er. Mutwillig zwinkerte sie ihm zu, und Abbie spürte zum ersten Mal die innige Liebe zwischen den Geschwistern. Statt eine Antwort abzuwarten, wandte er sich zu ihr und erinnerte sie an den Walzer, zu dem er sie verpflichtet hatte.
“Nachdem ich soeben herausfand, wie grausam Sie sein können, sollte ich mich Ihnen nicht anvertrauen”, hänselte sie ihn, während sie ihre Position auf dem Parkett einnahmen. “Nicht einmal auf einer Tanzfläche …”
Mit einem gequälten Lächeln schaute er zu seiner Schwester hinüber. “Was hat das unartige Mädchen Ihnen erzählt?”
“Nur, dass Sie Ihren jüngeren Vetter verprügelt haben.” Zu ihrer eigenen Verwunderung gelang es ihr, Konversation zu machen, ohne aus dem Takt zu geraten.
“Der Junge ist ein miserabler Reiter. Wie leicht hätte er sich den Hals brechen oder – schlimmer – meinen prämierten Hengst verletzen können! Leider ist Cedric der Auffassung, stets seinen Willen durchsetzen zu müssen.”
“Was in der Familie zu liegen scheint”, meinte sie trocken.
Lachend nickte er. “Da haben Sie recht. Es fällt mir nicht leicht, Nachsicht mit Leuten zu üben, die meinen Wünschen zuwiderhandeln. Damals stellte sich mein Vater auf Cedrics Seite und hielt mir vor, ich dürfte jemanden, der viel kleiner
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