Ein Gentleman wagt - und gewinnt
Dame wäre ihm wohl kaum gewachsen.”
“Ich glaube nicht, dass sich dieses Problem überhaupt stellen wird. Nachdem Sie mir so viele Aufgaben zugeteilt haben, werde ich gar keine Zeit für Ausritte finden.”
“Oh, dazu werden sich genug Gelegenheiten bieten”, erwiderte er und führte sie den Weg zurück, den sie gekommen waren. “Ich möchte Ihnen meine Ländereien zeigen. Eins müssen Sie mir allerdings versprechen, Abbie – reiten Sie niemals allein aus.”
Sie war überrascht gewesen, als er sie aufgefordert hatte, ihren eigenen Reitknecht mitzubringen. Nun kannte sie den Grund und versicherte: “Nach all den unglückseligen Zwischenfällen ist es verständlich, dass Sie auf Joshs Anwesenheit bestanden haben.”
“Nicht nur wegen der Unruhen, Abbie. Ich könnte Sie unbesorgt Hackmans Obhut anvertrauen. Doch er steht nicht immer zur Verfügung. Und bei dem Burschen, den ich vor ein paar Monaten eingestellt habe, habe ich meine Zweifel. Sein Vater war ein tüchtiger Arbeiter, was man von dem Jungen nicht behaupten kann. Hackman ist unzufrieden mit ihm. Und ich gebe sehr viel auf sein Urteil.”
Sie erreichten den Kiesweg, der zur Vorderfront des Hauses führte. Abbie blieb stehen, um die üppigen Glyzinien an der Seitenwand zu bewundern, und veranlasste Barton, ebenfalls innezuhalten. Im nächsten Moment fiel ein Stein herunter und landete genau neben ihnen auf dem Boden. Erschrocken schrie Abbie auf, und Barton schaute mit schmalen Augen an der Fassade hoch.
“Mein Gott! Wenn Sie weitergegangen wären, Abbie … Ich werde sofort veranlassen, dass diese Mauer instand gesetzt wird.”
8. KAPITEL
G lücklicherweise kam es in der nächsten Zeit zu keinen weiteren bedrohlichen Zwischenfällen. Das Material, das Abbie brauchte, um Barton zu porträtieren, wurde pünktlich geliefert. Danach verliefen die Tage in angenehmem Gleichmaß.
Wenn es das Wetter erlaubte, ritt sie vormittags auf der hübschen gescheckten Stute, die sie sich ausgesucht hatte, über die Ländereien. Meistens wurde sie von Barton begleitet. Wann immer er etwas anderes zu tun hatte, genoss Kitty nur zu gern zusammen mit Abbie die frische Luft und die Bewegung, gesellte sich indes niemals hinzu, wenn ihr Bruder seinen Gast zum Stallhof geleitete.
Zu Abigails Bedauern erschien er fast niemals in ihrem provisorischen Atelier, wenn sie nachmittags an seinem Porträt arbeitete. Anfangs hatte er ihr ein paarmal Modell für die ersten Skizzen gesessen. Doch danach opferte er ihr höchstens zwanzig Minuten am Tag, oder er tauchte überhaupt nicht auf.
Schließlich erklärte sie ihm, wenn er ihr so selten zur Verfügung stünde, würde sie länger als vorgesehen auf Cavanagh Court bleiben müssen, um das Bild zu vollenden. Er zuckte gleichmütig die Achseln. “Und wenn schon … Oder haben Sie es eilig, nach Bath zurückzukehren?”
Die Antwort auf diese Frage blieb sie ihm schuldig. Wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie sich auf seinem Landsitz viel zu wohl fühlte.
Die Dienstboten begegneten ihr respektvoll und machten ihr das Leben angenehm. Sogar Figg hatte seinen anfänglichen Argwohn überwunden und begrüßte sie stets freundlich, wenn sie in seine Domäne eindrang. Allerdings führte er manche Aufträge, die sie ihm erteilte, erst nach längeren Diskussionen aus.
Auch seine Schwester bemühte sich sehr um Abigail und schickte fast täglich ein Dienstmädchen zu ihr, das sich erkundigte, welche Speisen sie bevorzugen würde.
Da es keinen Zweifel an den hervorragenden Fähigkeiten der Köchin gab, ließ Abbie ihr stets ausrichten, ihr munde alles, was Miss Figg zu servieren plane.
Doch eines Morgens, fast drei Wochen nach ihrer Ankunft, musste sie erfahren, dass ihr Bemühen, dem Personal keine zusätzliche Arbeit zu bereiten, ausgerechnet von Miss Figg überhaupt nicht geschätzt wurde.
“Die Köchin regt sich ganz schrecklich auf, Miss”, berichtete das Dienstmädchen Rose, das ihr warmes Waschwasser brachte. “Sie beklagt sich, Sie würden ihr nicht zutrauen, erlesene Gerichte zu bereiten. Nur weil sie nicht im Haus eines Gentlemans mit Adelstitel angestellt ist …”
Bestürzt beeilte sich Abbie mit ihrer Morgentoilette. Dann ging sie sofort in die Küche, um das Missverständnis auszuräumen.
Als sie Kitty und ihre Mutter an diesem Abend im Salon traf, machte sie jedoch die Erfahrung, dass es unmöglich war, alle Menschen zufriedenzustellen.
“Oh Gott”, murmelte Eugenie bedrückt, nachdem
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