Ein Gentleman wagt - und gewinnt
ausgesucht hat.” Lächelnd fügte er hinzu: “Und meine Geduld hat gewisse Grenzen.”
“Also gleichen Sie Ihrem verstorbenen Vater nicht”, bemerkte Abbie, die seine Ehrlichkeit bewunderte. “Den Schilderungen meines Großvaters zufolge war er ein sehr toleranter, feinfühliger Gentleman.”
“Ja, das stimmt. Allerdings stellte ich seine Nachsicht auf eine harte Probe, weil ich seine Gemahlin so verächtlich behandelte. Das bedauere ich zutiefst.” Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: “Für meinen Vater war Eugenie eine ideale Gefährtin. Sie passte viel besser zu ihm als meine Mutter, die das willensstarke Wesen der Bellinghams geerbt hatte. So wie ich selbst … Doch sie besaß auch sanftere Züge, wie sie vor allem mir bewies. Diesen Rosengarten hat sie angelegt.”
“Offenbar liebte sie die Farbe Rosa …” Abbie verstummte hastig, denn sie fürchtete, Barton könnte diesen Kommentar als Kritik auffassen.
“Ziemlich eintönig, nicht wahr? Was würden Sie vorschlagen, Abbie?”
“Man könnte eine dunkelrot blühende Sorte da und dort dazwischenpflanzen. Und hinter der Buchsbaumhecke gelbe und weiße Rosen.”
Barton wandte sich um. “He, Figg! Ich möchte ein paar Änderungen im Rosengarten vornehmen!”, rief er einem Mann zu, der sich in der Nähe über ein Blumenbeet beugte.
Als Abbie der unverhohlenen Missbilligung in dem wettergegerbten Gesicht des Gärtners ansichtig wurde, war ihr klar, dass der gute Mr. Figg nichts von Neuerungen hielt. Er kam heran und verneigte sich vor seinem Herrn. “Nun, einige Stöcke sind tatsächlich recht alt, Sir. Aber wie Sie sehen, blühen sie immer noch prächtig.”
“Am Zustand der Pflanzen gibt es nichts auszusetzen, nur an der mangelnden Vielfalt der Farben. Halten Sie sich morgen Vormittag zur Verfügung, dann wird Miss Graham alles Notwendige mit Ihnen besprechen. Sie hat mir einige ausgezeichnete Anregungen unterbreitet, und die sollen Sie möglichst bald in die Tat umsetzen.”
Abigail wusste nicht, was sie mehr störte – Bartons anmaßende Überzeugung, dass es ihr eine Freude sein würde, den Garten neu zu gestalten, oder die feindselige Haltung des Gärtners, der widerstrebend davontrottete, nachdem er die Anweisungen des Hausherrn zur Kenntnis genommen hatte.
“Wie kommen Sie darauf, dass ich mich um Ihren Garten kümmern möchte, Mr. Cavanagh? Und was lässt Sie glauben, es würde mich beglücken, mit diesem mürrischen Mann zusammenzuarbeiten?”
Ihr ärgerlicher Tonfall entging Barton nicht. “Leider können Sie mit der Arbeit an dem Porträt erst beginnen, wenn das erforderliche Material eintrifft. Und das wird ein paar Tage dauern.” Er legte sich Abbies Hand in die Armbeuge. “Wollen Sie in der Zwischenzeit untätig herumsitzen? Ich möchte nicht, dass Sie sich langweilen. Und was Figg angeht – er wird Ihnen schon bald aus der Hand fressen.”
Da war sich Abbie nicht so sicher. Doch sie verfolgte das Thema nicht weiter. Während sie den Spaziergang fortsetzten, erkundigte sie sich, ob der Gärtner mit der Köchin verwandt sei.
“Ja, die beiden sind Geschwister und seit vielen Jahren treue Dienstboten, so wie alle anderen – vielleicht mit einer Ausnahme.”
Mittlerweile hatten sie den Hof hinter dem Haus erreicht, den die Stallungen und mehrere große Nebengebäude umgaben. Hier herrschte ein erstaunlicher Mangel an Betriebsamkeit, wofür sich bald eine Erklärung fand, als Bartons Oberreitknecht einen stattlichen Fuchs aus dem Stall führte. “Die Jungs sind drüben in der Küche und kosten Miss Figgs Pflaumenkuchen, Sir. Auch der junge Josh hat sich dazugesellt – falls Sie mit ihm reden wollen, Miss”, fügte Hackman hinzu und beobachtete anerkennend, wie furchtlos Abbie den Hengst streichelte. “Manchmal ist Samson ein bisschen launisch, Miss. Doch Sie kennen sich offensichtlich mit Pferden aus.”
“In der Tat”, bestätigte Barton, “Miss Graham ist mit ihnen aufgewachsen.” Nachdem er Abbies wehmütiges Lächeln bemerkt hatte, betonte er: “Was nicht bedeutet, dass ich ihr erlauben werde, Samson zu reiten. Alle anderen Pferde in meinem Stall dürfen Sie für sie satteln, Hackman. Diesen Hengst nicht.”
“Sehr wohl, Sir”, antwortete Hackman, und Abbies Lächeln vertiefte sich. In ihren Augen erschien ein mutwilliges Funkeln.
“Wagen Sie es nicht, auch nur daran zu denken!”, mahnte Barton. “Ich weiß, Sie sind eine ausgezeichnete Reiterin, Abbie. Aber Samson ist eigensinnig – und eine
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