Ein Gentleman wagt - und gewinnt
zu befürchten, wenn du die Wahrheit sagst”, versicherte Barton.
“Nun ja, Sir – die beiden haben gestritten.”
“Das dachte ich mir bereits. Warum kam es zu dieser Schlägerei?”
Nach einem weiteren angstvollen Blick in Dodds Richtung zuckte Tom die Achseln.
Obwohl Abigail sich nur ungern einmischte, wusste sie, dass Bartons Geduld gewisse Grenzen hatte. Bis in alle Ewigkeit würde er sich nicht beherrschen. Und so nickte sie ihrem Reitknecht zu, der die Aufforderung sofort verstand und vortrat. “Mit der Rauferei fing ich an, Mr. Cavanagh”, gab er zu.
“Wieso, Josh? Was hat mein Stallknecht verbrochen, um Ihren Zorn zu erregen?”
Erstaunlicherweise war es Tom, der die Frage beantwortete. “Mr. Dodd wollte Ihr Pferd mit einer Peitsche schlagen, Sir.”
Als Ben Dodd aufstand, verschanzte sich der Junge schutzsuchend hinter Josh.
“So schlimm war’s nicht, Sir”, murmelte Dodd. “Wie ungebärdig Samson manchmal sein kann, wenn er nicht bewegt wird, wissen Sie ja selber. Ich hab nur versucht, ihn zu beruhigen.”
Offenbar glaubte Barton ihm kein Wort. Seine Augen verengten sich unheilvoll. “Pack deine Sachen. Du wirst nie wieder einen Fuß auf meinen Grund und Boden setzen.”
Nachdem Dodd sein Quartier verlassen hatte, hellte sich die Stimmung im Stallgebäude und im Hof davor merklich auf. Während der nächsten Tage hörte Abigail den jungen Tom immer wieder fröhlich lachen, und Josh pfiff bei der Arbeit vor sich hin.
Was Kitty über den Hinauswurf ihres Reitknechts dachte, erfuhr Abbie nicht, denn das Mädchen äußerte sich nicht dazu.
Umso deutlicher bekundete Hackman seine Meinung. “Ich konnte Ben Dodd nie leiden, Miss Abbie”, gestand er eines Morgens, als sie nach einem Spaziergang zum Haus zurückkehrte. “Der Master mochte den alten Amos und wollte dem Sohn eine Chance geben. Leider war’s ein schwerer Fehler. Und das passt gar nicht zu Mr. Cavanagh, denn normalerweise ist er ein guter Menschenkenner. Dass der junge Taugenichts die Tiere misshandelt hat, überrascht mich nicht.” Seufzend fuhr er fort, ein Kutschenpferd zu striegeln. “Ich selber habe ihn bedauerlicherweise nie dabei ertappt. Hätte ich den Kerl zwischen die Finger gekriegt, wäre er nicht so schnell wieder aufgestanden. Aye, ein niederträchtiger Bastard. Dem weine ich keine Träne nach.”
“Hat er lange hier gearbeitet, Mr. Hackman?”
“Nein, er fing erst in diesem Frühjahr bei uns an, Miss. Etwa einen Monat nach dem Tod des alten Reitknechts.”
“Er wird Schwierigkeiten haben, eine neue Stellung zu finden, weil er ohne Referenzen entlassen wurde.”
“Da bin ich mir gar nicht sicher, Miss. Ich habe gehört, er würde jetzt für diesen Fremden arbeiten, der zu Beginn des Jahres die Taverne an der Evesham Road gekauft hat. Ich kehre da nicht mehr ein, die Kundschaft ist mir zu zwielichtig. Aber so was ist genau Dodds Kragenweite.”
“Offenbar fehlt Ihnen die zusätzliche Arbeitskraft nicht, Mr. Hackman”, meinte Abbie, nachdem sie sich im sauber gefegten Stallhof umgesehen hatte.
“Kein bisschen”, stimmte er zu. “Das schaffen wir auch zu dritt. Trotzdem wird der Master bald jemanden einstellen müssen, weil ich die Mistress und Miss Kitty in ein paar Tagen nach Brighton bringe, und dem kleinen Tom darf man nicht zu viel zumuten. Übrigens, Ihr Reitknecht ist ein sehr tüchtiger Bursche, Miss Abbie. Josh kann ich in meiner Abwesenheit beruhigt die Aufsicht überlassen. Allerdings nehme ich an, Sie werden nicht mehr allzu lange hierbleiben, Miss.”
Bisher hatte Abbie den Gedanken an ihren Abschied von Cavanagh Court tunlichst vermieden. Doch Eugenies Geburtstag stand kurz bevor, und bereits am Ende dieser Woche würden Giles und ihre Patentante eintreffen. Vermutlich würde sie abreisen müssen, sobald Kitty und ihre Mutter nach Brighton aufgebrochen waren.
Zumindest wenn Barton seinen Willen durchsetzt, überlegte Abbie auf dem Weg nach oben zu ihrem Atelier.
Seit dem Zwischenfall auf der Brücke nahm er sich jeden Nachmittag Zeit, um ihr Modell zu sitzen. Das Porträt war fast vollendet. Und genau das schien er anzustreben. Wehmütig zog sie das schützende Tuch von der Staffelei. Wie dumm von ihr, es erst jetzt zu erkennen … Er wollte sie so schnell wie möglich loswerden.
Seufzend trat sie ans Fenster und starrte zum Teich hinüber, zu der wieder instand gesetzten Brücke. Sie wäre zutiefst gekränkt gewesen, hätte sie glauben müssen, Barton wäre ihrer Gesellschaft
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