Ein Gentleman wagt - und gewinnt
heißen, dem noch der Duft einer anderen Frau anhaftet.”
Trotz Bartons sichtlicher Verwirrung sprach sie weiter. Es gab kein Zurück mehr, er musste die ganze Wahrheit erfahren.
“Erinnern Sie sich an Ihren letzten Besuch in Foxhunter Grange? Daran, was Sie nur eine oder zwei Stunden vor jenem Heiratsantrag taten? Wo Sie waren – und mit wem? Nein?”, fragte sie, als er nachdenklich die Brauen hob. “Wenn ich in solchen Dingen auch keine Expertin bin – ich glaube, der Boden eines Sommerhauses ist kein geeigneter Schauplatz für ein Schäferstündchen.”
Sie bereute ihre Worte, sobald sie sie ausgesprochen hatte. Nie zuvor hatte sie ihn so blass gesehen. Unter der Sonnenbräune war er aschfahl geworden, er wirkte wie vor den Kopf geschlagen.
Doch bevor sie beteuern konnte, dass jener Zwischenfall keine Rolle mehr für sie spielte, klopfte es, und Barryman trat ein.
“Lord Warren und ein Offizier von den Dragonern erwarten Sie in der Bibliothek, Sir”, meldete er.
Sichtlich erleichtert nutzte Barton die Gelegenheit, um ohne ein weiteres Wort zu flüchten.
10. KAPITEL
A n diesem Abend erschien Barton nicht im Speisezimmer. Nachdem er Lord Warrens Einladung zum Dinner gefolgt war, maß Abigail seiner Abwesenheit keine Bedeutung bei.
Als er jedoch am nächsten Morgen schon vor dem Frühstück das Haus verließ, fragte sie sich, ob er ihr aus dem Weg ging. Fühlte er sich in ihrer Gesellschaft unbehaglich? Dann wäre es vielleicht am besten, wenn sie bald abreiste.
Bis dahin wollte sie sich möglichst normal verhalten – so als hätte sie jene verhängnisvollen Worte niemals gesagt. Sie hatte einen Ausflug in das nahe gelegene Städtchen geplant, um ein Geburtstagsgeschenk für Eugenie zu kaufen, und gehofft, Barton würde sie begleiten. Das kam nun nicht mehr infrage, und sie war auf die Dienste ihres Reitknechts angewiesen.
Obwohl der Ort einige Meilen entfernt lag, dauerte der Ritt an diesem angenehm milden Vormittag nicht lange. Bald fand sie ein geeignetes Präsent für ihre Gastgeberin, das sie sich trotz ihrer begrenzten finanziellen Mittel leisten konnte – drei Kristalluntersetzer für Parfümflakons.
Zufrieden mit ihrer Errungenschaft, die Eugenie sicher gefallen würde, kehrte Abbie zu Josh zurück, der bei den Pferden wartete. Sie hätte die malerischen, mit Kopfstein gepflasterten Gässchen gern etwas genauer erforscht, doch sie hatte beschlossen, unverzüglich nach Cavanagh Court zurückzukehren und Barton um eine Unterredung zu bitten. Ihr war etwas eingefallen, das sie für die ideale Lösung ihres Problems hielt. Sie wunderte sich, dass ihr die Idee nicht schon früher gekommen war.
Josh ritt an ihrer Seite und pfiff eine fröhliche Melodie vor sich hin. Wieder einmal stellte Abbie lächelnd fest, dass er keine schlechte Laune zu kennen schien. Bereits in Bath war er ein angenehmer Begleiter gewesen, aber auf dem Land fühlte er sich offenbar viel wohler – ebenso wie sie selbst.
Und er arbeitete gern auf Cavanagh Court, besonders seit Dodd fort war. Hackman hatte ihn ausdrücklich gelobt. Barton brauchte keinen neuen Reitknecht einzustellen, solange ein so tüchtiger Arbeiter wie Josh in seinen Diensten stand.
Abbie wollte den jungen Mann gerade fragen, ob er lieber auf dem Anwesen bleiben würde, anstatt mit ihr nach Bath zurückzukehren, doch als sie sich zu ihm umwandte und seine grimmige Miene gewahrte, verschlug es ihr die Sprache. Dann folgte sie seinem Blick und entdeckte Ben Dodd, der etwas weiter vorn am Eingang einer heruntergekommenen Taverne lehnte.
Als Dodd die Hufschläge hörte, sah er in ihre Richtung und begann zu grinsen. “Freut mich, dass du immer noch so beliebt bist, Arkwright”, rief er Josh spöttisch entgegen. “Vielleicht wirst du eines Tages sogar Hackmans Nachfolger, wenn du dich anstrengst. Vor einem arroganten Herrn zu katzbuckeln – das passt zu dir. Ich für mein Teil hab mir höhere Ziele gesteckt.”
Abbie schenkte Dodd keine Beachtung und ritt weiter. Plötzlich hörte sie jemanden in einer Mundart sprechen, die ihr durch Josh inzwischen vertraut war. Verwundert zügelte sie ihr Pferd. Im nächsten Moment trat ein ungepflegter, schäbig gekleideter Mann aus dem Haus – offenbar der Wirt, denn als er erschien, sputete Dodd sich, das Fass davonzurollen, das neben ihm an der Wand gestanden hatte.
“Ich hab dich schon gesucht …” Abrupt verstummte der Mann, als er Abbie entdeckte, und musterte sie, einen unverschämten Ausdruck in den
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