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Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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erkundigen, wie das Essen schmeckte, die Gläser nachzufüllen und verschiedene Speisen zu empfehlen und dabei der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß er mit unserer Stimme am Wahltag rechnen könnte, und heikle Fragen über die Oberste Direktive auszuweichend zu beantworten.
    Schließlich, nach einer beträchtlichen Zeit, vielleicht nach einem Dutzend Gängen, als wir alle vollgestopft und zufrieden und angeheitert dasaßen und unseren Cognac oder Whisky tranken, bekamen wir Lis Wahlrede geboten – und dazu einen besonderen Leckerbissen zum Lobe der Kultur.
    Ich war etwas benebelt im Kopf. Li hatte mit riesigen Havanna-Zigarren die Runde gemacht, und ich hatte mir eine genommen und ließ mich von ihr berauschen. Ich saß da und paffte entschlossen an dem dicken Narkotik-Stengel, eingehüllt in eine Rauchwolke, und fragte mich, was die Eingeborenen wohl daran finden mochten, von Tabak high zu werden; aber ansonsten ging es mir prächtig, als Li mit dem Knauf des Lichtschwertes auf den Tisch klopfte und dann hinaufkletterte und sich an den Platz stellte, wo sein Gedeck gewesen war (einer der Teller des Sultans ging zu Bruch, doch ich vermute, das Schiff konnte ihn reparieren). Die Lichter erloschen, nur ein Scheinwerfer strahlte Li an.
    Ich benutzte etwas Schnappi, um meine Schläfrigkeit zu vertreiben, und drückte die Zigarre aus.
    * »Ladies and Gentlemen«, sagte Li mit einer hinlänglich guten englischen Aussprache, bevor er auf marainisch fortfuhr. »Ich habe Sie heute abend um mich versammelt, um mit Ihnen über die Erde zu sprechen und darüber, was mit ihr geschehen soll. Es ist meine Hoffnung und mein Wunsch, daß Sie, wenn Sie gehört haben, was ich zu sagen habe, mit mir darin übereinstimmen werden, daß es nur eine einzige mögliche Vorgehensweise gibt… Doch lassen Sie mich zunächst ein paar Worte über meine eigene Person sagen.« Jubelrufe wie auch Mißfallenspfiffe wurden laut, als sich Li bückte und sein Cognac-Glas erhob. Er leerte es in einem Zug und warf es über die Schulter. Eine Drohne mußte es in der Dunkelheit aufgefangen haben, denn ich hörte keinen Aufprall.
    »Zunächst einmal« – Li rieb sich das Kinn und fuhr sich durch die langen Haare –, »wer bin ich?« Er ging nicht auf mehrere Rufe ein, die ihm mit: »Ein beknackter Idiot« oder ähnlichen Ausdrücken antworteten, sondern fuhr fort. »Ich bin Brice-Thantapsa Li Brase ’ndane dam Sione, und ich bin einhundertundsiebzehn Jahre alt, doch erheblich weiser, als es diesem Alter angemessen wäre. Ich gehöre dem Kontakt erst seit sechs Jahren an, doch in dieser Zeit habe ich tiefgreifende Erfahrungen gesammelt, und deshalb kann ich mich durchaus kompetent über Kontakt-Angelegenheiten äußern. Ich bin das Ergebnis eines mutmaßlich achttausendjährigen Fortschrittsvorsprungs gegenüber dem Stadium des Planeten unter uns.« (Rufe wurden laut wie »Keine Leistung, auf die man stolz sein kann, was?« und so weiter). »Ich kann meine Ahnenkette namentlich bekannter Vorfahren mindestens für diesen Zeitraum zurückverfolgen, und wenn Sie zurückblicken bis zum ersten gedämpften Aufflackern der Wissenschaft, dann kehren Sie schließlich zurück« – (»Zur letzten Woche?« – »Zu deiner Mutter?«) – »durch Zehntausende von Generationen.
    Natürlich ist mein Körper verändert; zu einem Höchstmaß an Leistung hinsichtlich Überlebens- und Genußfähigkeit gesteigert« – (»Keine Angst, man sieht es dir nicht an«) –, »und genau wie ich diese Veränderung ererbt habe, werde ich sie meinen eigenen Kindern vererben.« (»Bitte Li, wir haben gerade gegessen.«) »Wir haben uns selbst umgestaltet, wie wir unsere Maschinen umgestaltet haben; wir können mit Fug und Recht für uns in Anspruch nehmen, zum größten Teil unser eigenes Werk zu sein.
    In meinem Kopf jedoch, buchstäblich in meinem Schädel, in meinem Gehirn, bin ich potentiell ebenso dumm wie ein neugeborenes Baby im hintersten unterentwickelten Winkel der Erde.« Er hielt inne und wartete lächelnd, bis das Gejohle abflaute. »Wir sind, was wir sind, ebensosehr aufgrund unserer Erfahrungen und des während des Heranwachsens Erlernten – mit anderen Worten also aufgrund unserer Erziehung –, wie aufgrund unserer ererbten allgemeinen pan-humanen Erscheinung, der eher individuellen Charakterzüge in Verbindung mit der Meta-Spezies der Kultur und der spezifischen genetischen Mischung, die von unseren Eltern beigefügt wurde, einschließlich all der liebenswerten

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