Ein Geschenk von Tiffany
Häppchenparade organisieren durfte, zusätzlich zur Zusammenstellung der Goody-Bags, also der Geschenktüten für die Kunden. Für jemanden, der nur irgendeinen Job angenommen hatte, um was zur Miete beizutragen, war sie ganz schön weit gekommen.
»Wir werden die Menüs also zusammen ausarbeiten, und du wirst die Rezepte lernen. Dann, Ende April, kannst du zu mir kommen und ganz bei mir arbeiten.«
Cassie klatschte entzückt in die Hände. Sie konnte kaum fassen, dass sie tatsächlich in einer Profiküche kochen würde. Mit Claude Bouchard. Ein geradezu perfektes Ende! Sie hatte ihren Weg also doch noch gefunden. Sie würde in Paris bleiben. Hier war ihr Happy Ever After. Und es kam kein Mann darin vor. Nun, zumindest nicht so.
Nur einen Wermutstropfen gab es: Sie musste Suzy (und Henry) beibringen, dass sie doch nicht nach London kommen würde …
32. Kapitel
Cassie saß vorm offenen Balkonfenster, eine dampfende Kaffeetasse in der Hand, die Füße aufs Balkongitter gelegt. Sie wollte die Aussicht auf den Fluss genießen, solange sie noch konnte. Heute Vormittag hatte sie eine unverschämt hohe Kaution – die sie sich eigentlich gar nicht leisten konnte – auf eine schäbige kleine Einzimmerwohnung im 13. Arrondissement hinterlegt, in die sie schon in zwei Wochen umziehen würde. Sie kam sich richtig erwachsen vor: Sie hatte einen Job und eine eigene Wohnung, und ihre Scheidung würde auch bald durch sein.
Sie hätte es gerne jemandem erzählt, aber es war das Osterwochenende, und Anouk war mit Pierre weg, irgendwo auf einem Château (wo sie hoffentlich ihre Differenzen beilegten), und Claude war an die Küste der Normandie gereist, um einen bekannten Fischlieferanten dazu zu überreden, einen Exklusivvertrag mit ihm abzuschließen.
Die Bateaux-mouches wurden von Tag zu Tag voller, nachdem sie monatelang mit fast leeren Sitzen trübe an ihr vorbeigetuckert waren. Nach dem bitterkalten Winter war der Frühling nun in Paris eingezogen. Die Bäume trugen grüne Knospen, in den Beeten blühten Tulpen und Narzissen. Die Sonne hatte richtig an Kraft zugelegt. Nachdem sie monatelang bleich am Himmel gestanden hatte, tauchte sie jetzt alles in ein zitronengelbes Licht.
Wie ein Scheinwerfer schien sie auf Cassie herab, sie spürte richtig, wie die frische Luft sie belebte und regenerierte. Sie wusste, dass sie bald nur noch die vier Wände der Restaurantküche zu sehen kriegen und nur noch die hektischen Rufe der Postenchefs hören würde. Nostalgisch würde sie zurückblicken auf diese gemütliche Zeit in den noblen Büros der LVMH, wo sie nichts anderes zu tun gehabt hatte, als eine Party zu organisieren und sich an den Wochenenden auszuschlafen – ein wenig heile Welt, bevor die Realität Einzug hielt.
Es klopfte. Cassie fuhr erschrocken zusammen. Erstaunt drehte sie sich um. Wer konnte das sein? Sie stand auf und ging zur Tür.
»Henry! Was machst du denn hier?«, rief sie verblüfft.
»Wirklich reizend!« Er stand grinsend im Treppenhaus. »Begrüßt man so einen alten Freund?«
»Du weißt schon, was ich meine.« Lächelnd hielt sie die Tür auf, damit er eintreten konnte. »Komm rein. Bist du allein?« Sie spähte ins Treppenhaus.
Er küsste sie leicht auf beide Wangen. »Ja, nur ich.« Er schnupperte. »Mm, der Kaffee riecht himmlisch.«
Cassie lachte. »Magst du etwa einen?«
»Wenn du drauf bestehst.« Er folgte ihr in die Küche.
»Anouk hat mehr Platz als Kelly, wie ich sehe.«
»Ja, Gott sei Dank! Hier kriegt man wenigstens einen Kaffee, ohne dafür anderthalb Blocks weit laufen zu müssen.«
Er trat ans Fenster und schaute raus. »Dann fährst du also nächste Woche?«, fragte Cassie, die ihn beobachtete.
»Ja.« Er drehte sich um und lächelte sie an. Er war dünner geworden, sah Cassie, und hatte dunkle Ringe unter den Augen.
»Du hast Gewicht verloren«, bemerkte sie.
»Ach ja?« Er schaute an sich hinab, auf sein blaues Hemd und die Jeans.
»Solltest du nicht … deine Fettreserven auffüllen, bevor du auf Expedition gehst, oder so was? Um gegen die Entbehrungen gewappnet zu sein?«
»Leichter gesagt als getan«, antwortete er achselzuckend. »Ich hab ’ne Menge um die Ohren.«
»Ja, das hat Suzy gesagt.«
Er sah sie an. Seine blauen Augen wirkten blasser, als sie in Erinnerung hatte.
»Und du hast dir die Haare schneiden lassen«, fuhr sie fort, unwillkürlich auf Mütterlich umschaltend, weil es sie nervös machte, wie er sie anschaute. »Das hält jetzt wenigstens ’ne
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