Ein Geschenk von Tiffany
wieder konnte.
»Siehst du?« Sie grinste keck und biss nun selbst in ihr Eis »Das ist es doch wert, in Paris zu bleiben, oder?«
»Suzy würde mich erwürgen, aber ja, du hast recht.« Er musterte sein Eis, als ob es magische Kräfte hätte. »Was ist denn das?«
»Berthillon-Eiscreme«, antwortete sie, nahm ihr Rad mit einer Hand und führte es weiter. »Es wird auf der Île Saint-Louis hergestellt, ein Familienbetrieb. Gilt als das beste Eis in ganz Paris.«
»In ganz Frankreich, würde ich sagen. So was hab ich noch nie gegessen.«
Langsam gingen sie weiter, die Räder an die Hüfte gestützt, in der freien Hand ihr Eis. Sie bogen nach links ab und konnten weiter vorne den Fluss erkennen.
»Ich weiß, wo wir uns hinsetzen können«, sagte Henry und übernahm die Führung.
Sie blieben an einer roten Ampel stehen.
Als sie auf Grün schaltete, überquerten sie die Straße. Auf der anderen Seite spannte sich eine Fußgängerbrücke über die Seine. Im Gegensatz zu den anderen Seinebrücken, die aus Kalkstein bestanden und mit aufwendigen Wasserspeiern oder Statuen geschmückt waren, handelte es sich hier um eine schlichte Brücke mit Holzplanken und schwarzem Drahtgeländer. An beiden Geländern hingen zahllose Vorhängeschlösser, die von Liebespärchen dorthin gehängt worden waren, sozusagen als Versprechen.
»Schon mal hier gewesen?«, erkundigte sich Henry. Sie lehnten ihre Räder an eine Bank, von der aus man flussaufwärts einen herrlichen Blick auf den Eiffelturm hatte.
»Klar. Die einzige Brücke, auf die man sich setzen kann, ohne von einem Bus überfahren zu werden.«
Sie nahmen nebeneinander Platz und aßen genüsslich ihr Eis. Unter ihnen tuckerte eine Barke vorbei, auf deren hinterem Deck ein leuchtend roter Fiat Punto stand.
Henry bewunderte die dicken Fahrradschlösser am Geländer. »Trägst du noch ab und zu mein Weihnachtsgeschenk?«, fragte er beiläufig.
»Na klar.« Sie tastete automatisch nach ihrer Kette. Das war ihr zur Gewohnheit geworden, seit sie ihre Kamille in New York zurücklassen musste. »Meine Lieblingskette. Ich nehme sie nie ab. Aber ehrlich, Henry, das war wirklich zu viel. Ich meine – musste es gleich eine Kette von Tiffany’s sein?«
»Ist ja nicht aus Gold oder Diamanten oder so was«, brummte er. »Kann ich sie mal sehen?«
»Klar.« Sie beugte sich vor und hielt sie ihm hin.
»Nein, ich meine … kann ich sie mal haben?«
Cassie zögerte. »Na gut.«
Sie machte die Kette auf und gab sie ihm. Der Anhänger hatte ein so tröstliches Gewicht, dass er ihr sofort fehlte. Er war warm von ihrer Haut.
»Aber ich kapiere nicht, was die Inschrift bedeuten soll. Was bedeutet das – Maiden’s Blush ?«
»Das weißt du nicht?« Henry hob erstaunt die Augenbrauen. Er drehte das Schloss um und las die Inschrift.
»Nö.«
Er hob die Kette an einem Ende an und ließ den Anhänger heruntergleiten. »Halt die mal kurz, ja?«
Sie nahm die Kette. Henry stand auf und trat ans gegenüberliegende Geländer.
Neugierig schaute Cassie zu, wie er ihr den Rücken zukehrte, in seinen Taschen kramte und an dem Schloss herumfummelte. Da erkannte sie, was er vorhatte. Sie lachte laut. »Also, Henry! Jetzt spinn doch nicht. Nicht mal du würdest ein Tiffany-Schloss da dranhängen!«
Er drehte den Kopf zu ihr um und zwinkerte ihr zu. Dann hängte er das Schloss ans Geländer. »Da!«
Cassie blieb das Lachen im Halse stecken. Erschrocken rannte sie zu ihm. »Henry, das fällt doch runter! Das Schloss rastet nicht ein. Ich musste es …« Sie stockte. Das Schloss hing sicher an einer Drahtmasche. Sicher und eingerastet. »Wie hast du das gemacht?«
»Mit meinen übermenschlichen Kräften.« Er hob den Arm und zeigte ihr seinen beeindruckenden Bizeps.
»Im Ernst, Henry. Ich konnte es einfach nicht zukriegen. Ich musste es mit der Sicherheitskette befestigen. Ich wollte es eigentlich noch in New York umtauschen, aber Luke … na jedenfalls, das Schloss ist defekt.«
»Na gut, dann lass es eben reparieren. Geh zu Tiffany’s Paris. Die Zweigstelle ist im 2. Arrondissement.« Er leckte an seinem Eis.
»Das wollte ich ja, du Schlauberger, aber wie soll ich das jetzt machen? Jetzt hängt’s ja da!«
»Weißt du, wie man einen Schlüssel benutzt?«, fragte er betont langsam, als hätte er’s mit einer Minderbemittelten zu tun.
»Ich hab keinen Schlüssel!«, kreischte sie erbost.
»Hä?«
»Es ist keiner mitgeliefert worden. Ich hab doch gesagt, ich hab’s mit der
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