Ein Geschenk von Tiffany
reinste Folter.«
»Aber das ist der beste Song!«, protestierte Kelly.
»Dann geh du doch! Los, es macht mir nichts aus, ehrlich! Ich setz mich hier hin und bewache unsere Drinks.« Sie klammerte sich entschlossen an die zwei rosa Cocktails.
»Na gut! Aber rühr dich nicht vom Fleck!«, befahl Kelly. Hüftschwingend machte sie sich auf den Weg zur Tanzfläche, wo sie sich zu einer Gruppe von herumzappelnden Bekannten gesellte.
Cassie schaute ihr neidisch zu. Wie scheinbar mühelos Kelly dazupasste! Wie gut sie tanzte, so sexy, ein neckisches Lächeln auf den Lippen. Cassie kam sich im Vergleich dazu wie das sprichwörtliche Mauerblümchen vor. Ihr Tanzstil hatte sich seit den Neunzigern nicht mehr verändert, und sie wurde schon betrunken, wenn sie nur an einem dieser zuckersüßen quietschrosa Cocktails, die nur mit Schirmchen gut aussahen, nippte. Noch schlimmer, der Junggesellinnenabschied aus Brooklyn schien es jetzt, wo nur noch sie am Tischchen saß, auf eine feindliche Übernahme des Territoriums abgesehen zu haben: Sie hatten sie praktisch eingekreist und unterhielten sich lautstark über ihren Kopf hinweg.
»Hallo.«
Cassie fuhr herum. Hinter ihr stand Henry. Er beugte sich vor und gab ihr einen Begrüßungskuss auf die Wange. Er trug ein marineblaues Hemd und Jeans. Die Deckenbeleuchtung spiegelte sich in seinen Haaren, die in diesem Licht goldbraun wirkten, heller als im Park. Ob ihm seine Knie noch wehtaten?
»Hallo! Wo ist Tracy?« Sie spähte an Henry vorbei.
»Lacey«, korrigierte er sie.
»Sorry. Lacey.«
»Sie wird auch bald da sein.«
»Gut. Kann’s kaum erwarten, sie kennenzulernen. Hast du schon was zu trinken?«
Sein Blick fiel auf die rosa gefüllten Gläser, die sie noch immer schützend umklammert hielt. Er hielt abwehrend sein Bier hoch.
»Wäre fast an dir vorbeigelaufen«, brüllte er. »Ich kann kaum glauben, wie sehr du dich verändert hast.« Er deutete auf ihr Haar, das jetzt butterblond und streichholzgerade war. »Was haben sie damit angestellt? Es gebügelt?«
»Dauerwelle!«
»Im Ernst?«
Cassie beugte sich kichernd zu ihm hin und brüllte ihm ins Ohr: »Nicht so eine wie Suzy sich mit dreizehn hat machen lassen! Das ist eine brasilianische Dauerwelle. Eine Anti-Dauerwelle! Da werden einem die Locken rausgemacht statt rein. Ich brauche mir jetzt drei Wochen lang nicht mehr die Haare zu föhnen, haben sie gesagt! Dabei hab ich sie mir noch nie geföhnt! Aber das hab ich natürlich nicht zugegeben. Das einzige Mal, dass ich ’ne Rundbürste in die Hand genommen habe, war beim Entfusseln von Gils Pullis …« Das Wort blieb ihr im Halse stecken. Mit einem kläglichen Lächeln versuchte sie den peinlichen Moment zu überbrücken.
Henry konnte kaum die Augen von ihr abwenden, als ginge ihre Transformation über sein Begriffsvermögen. Ihre Haare waren nicht nur geglättet, sie waren nun auch nur noch halb so lang wie früher und umrahmten ihr Gesicht in einem fedrigen Stufenschnitt, der ihrem Aussehen schmeichelte. Auch ihr Make-up war makellos, die generösen Lippen knallrot bemalt.
»Du siehst so … so anders aus«, sagte er zögernd.
»Ja, ich war ja auch ein besonders schwerer Fall.«
»Ein Fall von was?«
»Keine Ahnung. Aber es muss schlimm gewesen sein.« Sie schnitt eine Grimasse. »Du hättest ihre Gesichter sehen sollen. Haben mich angeguckt, als wär ich Gollum.«
»Aber wieso?«, fragte er baff. »Was hat denn nicht mit dir gestimmt?«
Cassie legte den Kopf schief und lächelte dankbar. Ihre Augen wurden feucht. Das war so lieb von ihm!
»Ach, Henry, du bist ein Schatz! Nett von dir zu denken, dass ich auch so okay war.«
»Aber das warst du ja auch!«, protestierte er.
»Na, da bist du der Einzige, der dieser Meinung ist.« Sie lächelte.
Auch er lächelte sie an – ein sanftes, verständnisvolles, ja beinahe nostalgisches Lächeln. Seine Augen funkelten belustigt. Auf seinen Wangen zeichnete sich ein leichter abendlicher Bartschatten ab.
»Na gut. Und was hast du sonst noch mit dir machen lassen?« Er nahm einen Schluck Bier.
»Das kann ich dir schlecht zeigen.« Er hob die Augenbrauen. »Na gut, wenigstens ein bisschen. Da, schau!« Sie hob den Saum ihres Kleids und gewährte ihm einen Blick auf ein Stück nackten Oberschenkel. »Ist das zu fassen? Oberschenkelenthaarung! Wen stören denn schon die Härchen auf den Oberschenkeln?« Sie warf verblüfft die Hände in die Luft.
»Die Männer jedenfalls nicht. Ihr Frauen habt diese
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