Ein Gesicht so schön und kalt
oder was sie damals sah redet, und daß sie morgen von einer
Reise zurückkehren. Wenn ich mit ihr reden will, muß es heute
gegen fünf Uhr sein. Das bedeutet, daß ich ganz schön
jonglieren muß. Ich hab’ ihr gesagt, ich gebe ihr noch Bescheid.«
»Kannst du rechtzeitig von hier wegkommen?« fragte Joe.
»Ich habe ein paar Termine, die ich sowieso absage.« Sie
erzählte Palumbo von Robin und dem Vorfall am Morgen.
Der Ermittlungsbeamte stand auf und versuchte sein Jackett
zuzuknöpfen, das immer ziemlich straff über seinem
großzügigen Bauchumfang saß. »Ich bin um fünf bei dir zu
Hause«, schlug er vor. »Während du bei Mrs. Bowles bist, kann
ich doch mit Robin einen Hamburger essen gehen. Ich möchte
gern mit ihr über heute früh reden.« Er sah Kerrys ablehnenden
Gesichtsausdruck und beeilte sich, bevor sie etwas einwenden
konnte, hinzuzufügen: »Kerry, du bist clever, aber bei dieser
Angelegenheit bist du nicht objektiv. Mach nicht meinen Job für
mich.«
Kerry schaute Joe forschend an. Er wirkte stets etwas
vernachlässigt, und auf seinem Schreibtisch herrschte im
allgemeinen eine gewisse Unordnung, aber er war so ziemlich
der Beste, den es in seinem Job gab. Kerry hatte miterlebt, wie
er Kinder so geschickt befragte, daß sie überhaupt nicht
mitbekamen, daß jedes einzelne Wort ihres Berichts einer
Analyse unterzogen wurde. Es würde eine große Hilfe bedeuten,
wenn Joes Erfahrung bei dieser Sache zum Einsatz kam. »Also
gut«, stimmte sie zu.
40
Am Dienstag nachmittag fuhr Jason Arnott von Alpine aus in
die abgelegene Gegend bei Ellenville in den Catskills, wo sein
weiträumiger Landsitz, abgeschirmt von der umliegenden
Bergkette, seine unermeßlich wertvollen gestohlenen Schätze
barg.
Das Haus war eine Sucht, das war ihm wohl bewußt, eine
Erweiterung seines manchmal unkontrollierbaren Triebes, der
ihn die schönen Dinge stehlen hieß, die er in den Häusern seiner
Bekannten sah. Die Schönheit war es schließlich, die ihn zu
diesen Taten veranlaßte. Er liebte Schönheit, liebte es, wie sie
aussah, wie sie sich anfühlte. Manchmal war der Drang, etwas in
der Hand zu halten, es zu streicheln, so stark, daß er ihn schier
überwältigte. Es war eine Gabe und als solche ein Segen sowohl
wie ein Fluch. Eines Tages würde er dadurch in Schwierigkeiten
geraten. Wie es bereits beinahe geschehe n war. Es machte ihn
ungeduldig, wenn Besucher Teppiche oder Möbel, Gemälde
oder kunstvolle Gegenstände, objets d’art, in seinem Heim in
Alpine bewunderten. Er weidete sich oft an der Vorstellung, wie
schockiert sie wären, würde er damit herausplatzen: »Für meine
Ansprüche ist das bloßer Durchschnitt.«
Doch das würde er natürlich niemals sagen, denn er hatte kein
Bedürfnis, seine Privatsammlung irgend jemandem zu zeigen.
Sie war allein seine Sache. Und mußte es auch weiterhin
bleiben.
Heute ist ja Halloween, dachte er geringschätzig, während er
in raschem Tempo die Route 17 in die Berge fuhr. Er war froh,
wegzukommen. Er war nicht von dem Wunsch beseelt,
unablässig an seiner Haustür schellenden Kindern zum Opfer zu
fallen. Er war müde.
Das Wochenende über hatte er sich in einem Hotel in
Bethesda, Maryland, einquartiert und die Zeit dazu benützt, in
eines dieser typischen gesichtslosen neueren Häuser von Chevy
Chase einzubrechen, in dem er einige Monate vorher an einer
Party teilgenommen hatte. Bei jener Festlichkeit hatte sich die
Gastgeberin, Myra Hamilton, gründlich über die anstehende
Hochzeit ihres Sohnes ausgelassen, die für den 28. Oktober in
Chicago festgesetzt war, und hatte damit jedem, der es hören
wollte, praktisch mitgeteilt, daß an diesem Tag niemand zu
Hause sein würde.
Das Haus der Hamiltons war nicht besonders geräumig, aber
von auserlesenem Geschmack und voll von kostbaren
Gegenständen, welche die Hamiltons im Laufe der Jahre
gesammelt hatten. Jason war angesichts des saphirblauen
Fabergé-Petschafts mit einem goldenen eiförmigen Griff das
Wasser im Mund zusammengelaufen. Das und ein feiner
Aubusson von knapp einem Meter mal eins fünfzig mit einer
Rosette in der Mitte, den sie als Wandbehang benutzten, waren
die beiden Dinge, die sein Verlangen am stärksten geweckt
hatten.
Beide Objekte waren jetzt in seinem Kofferraum verstaut und
zu seinem Refugium unterwegs. Unbewußt runzelte Jason die
Stirn. Er empfand gar nicht wie sonst dieses Triumphgefühl
darüber, daß er sein Ziel erreicht
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