Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
»Verfluchte Abos, manchmal könnte ich ihnen echt in den Arsch treten.«
»Ist der Brief an jemand Bestimmten adressiert?«, wollte Daryl wissen.
»Ja, an Meena.«
Während Meena den Brief las, standen sie schweigend neben ihrem Bett. Gespannt starrten sie auf das Gesicht des Mädchens.
Während sie las, weiteten sich ihre Augen. Schließlich hob sie den Kopf und blickte Daryl ungläubig in die Augen. Tränen rannen über ihre Wangen. Langsam begann sie zu zittern. »Nein … das kann … kann einfach nicht sein …«, schluchzte sie und hielt Daryl den Brief entgegen.
Er hatte erst die Hälfte der Nachricht gelesen, als er sich ruckartig zu Barrow umwandte und ihm die Nachricht in die Finger drückte.
»Verdammt, ich bin ein solcher Idiot! Kümmern Sie sich um Meena. Poison-Joe und ich werden versuchen, Ray noch rechtzeitig zu erwischen.« Mit diesen Worten packte er den alten Stockman am Arm und zerrte ihn aus dem Zimmer.
Sie eilten zu Martin Barrows Landcruiser, der vor dem Haus stand.
»Die Schlüssel stecken doch, oder?«, fragte Daryl Joe noch im Laufen.
»Klar«, antwortete dieser keuchend.
Sie schwangen sich in den Wagen, Daryl setzte sich ans Steuer.
»Was ist eigentlich los?«, wollte Poison-Joe wissen, während Daryl einen Blitzstart hinlegte.
»Der Brief war ein Abschiedsbrief. Ray will sich umbringen.«
»Umbringen?«, rief Poison-Joe bestürzt. »Weshalb?«
»Dreimal dürfen Sie raten.«
»Floyd Buttler?«
»Floyd Buttler«, erwiderte der Detective grimmig.
Daryl nahm weder Rücksicht auf seinen Beifahrer noch auf das Fahrzeug. In halsbrecherischem Tempo jagte er den Geländewagen über den holprigen Weg. Er war wütend. Nicht auf Ray. Nun ja, vielleicht auch ein wenig auf Ray. Aber in erster Linie auf sich. Hatte er nicht immer wieder gesagt, Selbstüberschätzung und Überheblichkeit seien die schlimmsten Sünden eines Polizisten? Und was war jetzt? Er hatte geglaubt, alles unter Kontrolle zu haben. Aber es gab immer eine Unbekannte in der Rechnung, ein winziges Sandkorn, das selbst die bestgeölte Maschine zum Stehen bringen konnte. Er hoffte, dass sie nicht zu spät kamen.
Der Landcruiser schoss durch ein kleines Bachbett und einen Hang hinauf, als vor ihnen plötzlich ein Reiter auftauchte.
Daryl riss das Steuer herum und trat mit aller Kraft auf die Bremse. Das Fahrzeug stellte sich quer und blieb nur wenige Meter vor dem sich aufbäumenden Pferd stehen. Als sich der Staub etwas verzogen hatte, sahen sie, dass der Reiter Murgura war.
»Los, steigen Sie ein, befahl Daryl. »Kann sein, dass wir Ihre Hilfe brauchen.«
»Meine Hilfe wobei?«, fragte der Aborigine ruhig.
»Ray vor einer riesengroßen Dummheit zu bewahren. Und nun steigen Sie endlich ein, wir haben schon zu viel Zeit verloren.«
»Wohin fahren wir?«, fragte der Aborigine, als er auf dem Rücksitz Platz genommen hatte.
»Zum Pigeon Pool«, antwortete Daryl knapp und drückte bereits wieder aufs Gaspedal.
Sie sprangen aus dem Wagen und rannten an Rays Motorrad vorbei zum Billabong. Der junge Mann stand bereits bis zu den Knien im trüben Wasser. Langsam, Schritt für Schritt tastete er sich vorwärts.
»Tun Sie das nicht, Ray«, rief ihm Daryl vom Rand der steilen Böschung zu.
»Wieso nicht? Damit Sie mich ins Gefängnis stecken können?«, antwortete Ray über die Schulter. Langsam wandte er sich um und blickte zu den Männern auf. »Ich will nicht ins Gefängnis. Lieber sterbe ich.«
Poison-Joe, der schräg hinter Daryl gestanden hatte, trat neben ihn. »Du kommst jetzt augenblicklich da raus, oder ich hol’ dich und prügle dir Verstand ein, hast du das kapiert?«
Daryl warf Poison-Joe einen verärgerten Blick zu. »Unterstehen Sie sich«, presste er hinter zusammengekniffenen Lippen hervor. »Ein Selbstmordkandidat reicht mir.« Er wandte sich wieder dem Mann im Wasser zu. »Von mir haben Sie nichts zu befürchten, Ray.«
»Und was ist mit gestern Abend? Sie sind Polizist, oder etwa nicht?«
»Das ist richtig. Aber …«
»Sie haben mich durchschaut. Gestern Abend, da ging mir ein Licht auf, was Bruce gemeint hat. Sie haben es gewusst, die ganze Zeit über.«
»Noch einmal, Ray. Ich werde Sie nicht festnehmen.«
»Das glaube ich Ihnen nicht! Sie wollen mich lebend, das ist alles. Aber das wird nicht klappen.« Er wandte sich wieder um und watete bis auf Brusthöhe in den Pool.
Daryl blickte kurz zu Murgura, der schweigend etwas abseits stand und den Pool nach einer verdächtigen Bewegung
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