Ein Glas voll Mord
Owls irgendein Ritual in der Leichenhalle abhalten wollten. Dank Janets Ungeschicklichkeit musste er mit seinem gefiederten Helm und seinem guten grauen Anzug statt der vollständigen Insignien vorlieb nehmen.
»Hoffentlich kann Elmer Bain morgen früh zur Reinigung fahren und Berts Owls-Kostüm abholen, damit er es zur Beerdigung anziehen kann«, bemerkte Janet zu Dot, nachdem ihr Bruder gegangen war. »Elmer ist ein ziemlich freundlicher Mensch, nicht wahr? Ich hatte bisher noch nicht die Gelegenheit, ihn kennen zu lernen.«
»Er ist nicht übel, soweit ich weiß«, stimmte Dot mit vollem Mund zu. »Bisschen still. Diese Bains sind mit allem geizig, sogar mit Worten. Hey, das schmeckt gut! Muss ich Sam erzählen.«
»Tu das«, sagte Janet. »Elmer schlägt nicht nach seinem Vater, was?«
»Nee, nach seiner Mutter. Miz Bain war ’ne nette Frau, obwohl sie eine MacDermott war. Gott, nein, danke. Noch ein Bissen, und ich platze.« Dot legte mit sichtbarem Bedauern ihre Gabel nieder. »Sam sagt immer, ihr macht das beste Essen in der ganzen Stadt. Wenn ich jetzt bei Miz Druffitt wär, könnt ich mich glücklich schätzen, wenn sie mir ein Sandwich mit Ei servieren täte, und sie würd jedes einzelne Körnchen Zucker zählen, das ich mir in den Tee tu.«
Es würde eine ganze Weile dauern, die alle zu zählen, dachte Janet, bei den Mengen Zucker, die Dot in ihren Tee schaufelte. Wie diese Frau es hinbekam, so dünn zu bleiben, war ein Mysterium. Dot war gebaut wie Elizabeth Druffitt und Marion Emery, fiel Janet auf. Wenn sie weniger Make-up benutzen und mehr auf ihre Kleidung und ihre Haare achten würde, könnte sie glatt als eine weitere Kusine durchgehen.
Dot plauderte weiter. »Miz Treadway, die gab einem immer was zu essen, so viel man wollte – aber Miz Druffitt, ich kann Ihnen sagen, in der ihrem Mülleimer würd eine Ameise verhungern! Sie hat so viel Zeugs in ihrem Haus, auf dem Dachboden stehen Kisten gestapelt bis zum First, und Schränke voller Kleider, die sie vor dreißig Jahren oder so gekauft haben muss, die hängen da einfach so nutzlos rum.«
Es war in der Tat eine Schande, musste Janet zugeben, die guten Sachen einfach da rumhängen zu lassen, wenn es genug arme Seelen gab – Dot zum Beispiel, zweifelsohne – die sich freuen würden, sie aufzutragen. Trotzdem behagte es ihr nicht, mit Dot hier herumzusitzen und über eine Frau zu lästern, deren Ehemann am nächsten Tag beerdigt werden sollte. Allerdings merkte sie, dass es viel einfacher war, Dot ins Reden zu bringen, als ihren Redefluss zu stoppen.
»Es ist wirklich kein Spaß, für sie zu arbeiten. Sie zieht weiße Handschuhe an und fährt damit über die Möbel, um zu sehen, ob ich auch alles richtig sauber gemacht hab. Mir kann’s ja egal sein, wenn sie sich ihre besten Handschuhe unbedingt verdrecken will … der Doktor wollte mal eine von den ausländischen Hausmädchen engagieren, wissen Sie, aber davon wollte sie nichts hören. Weil, die hätte schließlich Kost und Logis kriegen müssen. ›Und außerdem‹, hat sie gesagt, ›ist sie womöglich hübsch, und dann gibt’s Gerede.‹«
»Und natürlich wollte Mrs. Druffitt nicht ins Gerede kommen«, sagte Janet. Niemand in Pitcherville wollte das; aber viele gaben trotzdem reichlich Anlass dazu.
»Oh nein, Miz Druffitt hasst Gerede«, antwortete Dot, ohne die Ironie zu bemerken, was Janet auch nicht erwartet hatte. »Deswegen will sie auch unbedingt, dass Gilly nach Hause kommt. ›Was sollen die Leute denken, wenn du lebst wie eine Mittellose, obwohl du so ein hübsches Zuhause hast?‹, fängt sie immer an. Gilly wird dann immer sauer und sagt: ›Wen zur Hölle kümmert es, was die Leute denken?‹, also könnte ihre Ma sich die Puste auch sparen.«
Dot beschloss, ein Stück Kuchen ginge noch. »Sobald Miz Treadway tot war, redete Miz Druffitt auf Gilly ein, dass sie doch ins Herrenhaus ziehen sollte, aber auch das hat Gilly nie gewollt. Kann ich ihr nicht verdenken. Ist’s nicht ein bisschen einsam, hier oben festzusitzen, wo’s nichts zu erleben gibt und keinen, mit dem man mal plaudern kann? Im Ort unten ist wenigstens immer was los – und wenn’s nur Fred Olson ist, der wem einen platten Reifen flickt.«
Das erinnerte Janet an die Verabredung, die sie so unbedingt hatte einhalten wollen. »Ich hoffe, Sam hat Fred meine Nachricht überbracht«, sagte sie besorgt. »Ich wollte ihn eigentlich heute Nachmittag treffen.«
Dots Augen wurden groß. »Warum?«
Gütiger
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