Ein Glas voll Mord
Kleidern trug; ein hell gemustertes zudem, das man auch im Dunkeln leicht wiedererkennen konnte.
Es war nicht unvernünftig anzunehmen, dass Elizabeth vielleicht beschlossen hatte, ihren langen Boykott des Herrenhauses zu überwinden und die Nacht hier bei ihrer Tochter und ihrer Kusine zu verbringen, statt ganz alleine in ihrem eigenen Haus zu schlafen. Es war nicht unvernünftig anzunehmen, dass sie vielleicht nicht hatte einschlafen können und sich zu einem kleinen Nachtspaziergang um den Hof entschlossen hatte, um ihre Nerven zu beruhigen. Könnte es nicht sein, dass sich noch jemand vertan hatte? So wie Marion sich vertan hatte, als sie die Leiche auf dem Rasen entdeckte?
Es war möglich, dass Marion den gleichen Fehler zweimal gemacht hatte. Allerdings müsste sie über erstaunliche Fähigkeiten zur Regeneration verfügen, wenn sie in der Lage wäre, in den Hof zu torkeln und einen Mord zu begehen, nachdem sie eben noch ohnmächtig auf das Cribbage-Brett gefallen war. Auf der anderen Seite war sie vielleicht viel weniger betrunken gewesen, als sie vorgegeben hatte. Es war immerhin möglich, dass um die Zeit, als Rhys sie auf das Sofa hievte, seine eigene Wahrnehmungsfähigkeit ein wenig beeinträchtigt gewesen war.
Diese Hypothese schien Rhys sinnvoll; nicht zuletzt, weil sie Janet Wadman und ihren Bruder von der Liste der Verdächtigen nahm. Sie hatten von dem Kleid gewusst. Marion und die restliche Belegschaft des Herrenhauses hatten es nicht gewusst, also blieben sie alle verdächtig. Genauso wie ganz Pitcherville – es sei denn, Dot hatte es geschafft, die Geschichte vom geschenkten Kleid in der kurzen Zeit zwischen ihrem Aufbruch von Mrs. Druffitt und ihrer Ankunft bei Janet überall herumzuerzählen. Es schien in dieser Gegend als unumstößliche Tatsache zu gelten, dass Elizabeth Druffitt noch niemals etwas verschenkt hatte und das auch künftig nicht tun würde.
Mrs. Druffitt war viel eher ein potentielles Opfer als Dot Fewter. Mrs. Druffitt hatte einen Ehemann, der soeben ermordet worden war, also stellte sie für den, der diesen kleinen Job erledigt hatte, eine mögliche Bedrohung dar. Sie verfügte über Landbesitz, Macht und Einfluss in der Gemeinde. Hinter der damenhaften Fassade besaß sie die Unbeugsamkeit eines Ochsen. Außerdem hatte sie mittlerweile – darauf würde Rhys seinen Sonntagsanzug verwetten – irgendeinen Handel mit Jason Bain ausbaldowert. Diese Kombination von Gegebenheiten eröffnete eine Vielzahl möglicher Motive.
Rhys hob den Stein mit ein paar Zweigen an und legte ihn schwungvoll auf ein Stück Papier, das Marion ihm aus dem Haus geholt hatte. Es war Briefpapier, Treadway Enterprises Ltd. , stand auf dem Briefkopf. Briefköpfe kümmerten Rhys jetzt nicht; er hoffte auf mögliche Fingerabdrücke auf der weißen Oberfläche des Steins. Eine vergebliche Hoffnung, zweifellos – denn jemand, der sich die Mühe gemacht hatte, den Stein zurückzulegen, war höchstwahrscheinlich auch ordentlich oder schlau genug gewesen, seine Fingerabdrücke abzuwischen. Sogar ein kleiner Junge würde das tun. Kleine Jungs lasen Comichefte und sahen Räuber-und-Gendarm-Filme im Fernsehen.
Elmer, Gilly und Bobby waren verschwunden, und aller Wahrscheinlichkeit nach zusammen. Die beiden Erwachsenen – wenn man sie so nennen konnte – mussten aus dem Kino zurückgekommen sein, kurz nachdem Rhys und Marion von Onkel Charles’ verheerendem Weinbrand in den Schlaf gewiegt worden waren; dann hatten sie das Kind geholt und sich aus dem Staub gemacht. Welchen anderen Grund konnten sie dafür haben als den, der hier vor ihm lag?
Sie hatten nicht wissen können, dass Rhys schlief, es sei denn, sie hatten Marion aufgetragen, ihn betrunken zu machen. Das würde bedeuten, sie hätten das Verbrechen im Vorhinein geplant. Aber sie hätten Elizabeth Druffitt nicht hier vermutet – was wiederum hieße, dass sie es wirklich auf Dot abgesehen hatten. Und was hatte Dot hier überhaupt zu suchen gehabt, wo sie doch eigentlich drüben bei Janet sein sollte?
Er versuchte, in eine andere Richtung zu denken. Angenommen, Bobby war aus dem Haus geschlichen, nachdem Rhys ihn und seinen vierbeinigen Bettgenossen so süß schlafend vorgefunden hatte. Angenommen, der Junge hatte dann irgendeinen Unsinn angestellt, nicht unbedingt etwas wirklich Schlimmes, aber etwas, bei dem er sich nicht erwischen lassen durfte, und war dann, als er wieder zurück ins Herrenhaus schleichen wollte, zu seinem Entsetzen
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