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Ein Glas voll Mord

Ein Glas voll Mord

Titel: Ein Glas voll Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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holte die gehäkelte Decke, mit der sie letzte Nacht selbst zugedeckt worden war. »Reicht das?«
    »Gut«, sagte Rhys.
    Sie lief hinter ihm her, als er hinausging, als könne sie es nicht ertragen, alleine zu sein. Weil sie sowieso hier bleiben würde, fand Rhys, dass sie sich ebenso gut nützlich machen könne. »Marion, ich gehe in die Scheune und sehe nach, ob Sam Neddick da ist. Du bleibst hier und wartest auf Olson, ja? Wenn jemand anders kommt, oder wenn du glaubst, du hältst es hier nicht aus, komm nicht rüber, sondern ruf mich einfach. Ich verspreche, dass ich nicht weiter weggehe als bis zur Scheune.«
    »Okay.«
    Sie versuchte zu lächeln, und er ging los.

16. Kapitel
    Sams Wohnstätte war überraschend elegant. Darin befanden sich ein prachtvolles Bettgestell aus Messing mit einer alten Überdecke aus blauem Samt und eine Kommode mit Marmoraufsatz, auf der eine geblümte Wasserkanne und eine Waschschüssel standen, beide waren etwas angeschlagen. Außerdem gab es einen billigen, aber sehr modernen Kleiderschrank, auf dem sich diverse Flaschen mit Toilettenartikeln für Herren befanden, wahrscheinlich Geschenke seiner verstorbenen Freundin. Sam war niemand, der so etwas benutzen würde – es sei denn, er hatte großen Durst.
    Neddick war nicht da. Marion hatte Recht. Er war entweder bei der Arbeit oder über alle Berge. Es gab reichlich Anzeichen dafür, dass er sich in seinem exotischen Boudoir oft mit Dot Fewter vergnügt hatte: lange schwarze Haare auf dem samtenen Bettüberwurf, eine speckige Puderdose zwischen den Duftwässerchen und Aftershaves, eine Strumpfhose voller Laufmaschen unter dem Bett. Man konnte davon ausgehen, dass sie entweder auf dem Weg hierher oder gerade aus der Scheune gekommen und auf dem Weg zu den Wadmans gewesen war, als sie in der Einfahrt erschlagen wurde. Ein romantisches Treffen mit Sam würde auch erklären, warum sie sich die Mühe gemacht hatte, das schicke Erbstück anzuziehen.
    Rhys blieb nicht länger als ein, zwei Minuten hier. Marion war immer noch draußen bei der Leiche und schien nicht in allzu schlechter Verfassung zu sein, also rief er ihr zu: »Neddick ist nicht zu Hause. Macht’s dir was aus, wenn ich rüber zu den Wadmans gehe?«
    Sie hob die Hand, was sowohl Einverständnis als auch Protest signalisieren konnte. Er beschloss, dass es Einverständnis bedeuten sollte, ging los – und der Erste, dem er begegnete, war Sam Neddick. Es musste Sam sein, denn der Mann sah genauso aus, wie Rhys ihn sich vorgestellt hatte: alterslos, Gesicht und Hals von der Farbe und Beschaffenheit alten Stiefelleders, und ein völlig ausdrucksloser Blick. Er war weder groß noch klein, leicht bucklig, aber ohne Zweifel stark und schnell wie ein Luchs, wenn es darauf ankam. Die Augen waren fast farblos, wie zwei kleine Kristallkugeln.
    »Ha’m Sie mich gesucht?«, grunzte er.
    »Haben Sie damit gerechnet?«, grunzte Rhys zurück.
    »Ja.«
    »Warum sind Sie dann nicht zu mir gekommen?«
    Sam lehnte sich auf seine Mistgabel und sah Rhys mit seinen Kristallkugelaugen an.
    »War sie auf dem Weg zu Ihnen, als sie ermordet wurde, oder war sie vorher bei Ihnen gewesen?«
    »Vorher.«
    »Wann ist sie weggegangen?«
    »Mitternacht, ungefähr.«
    »Haben Sie sie nach draußen begleitet?«
    »Quatsch. Ich bin im Bett geblieben. Muss eingeschlafen sein, bevor sie los ist.« Sein Tonfall verriet ein leichtes Bedauern. War Neddick traurig, weil seine Freundin umgebracht worden war, oder weil er die Chance verpasst hatte, dabei zusehen zu können?
    »Es dürfte Ihnen klar sein«, sagte Rhys mit aller Strenge, die ihm zur Verfügung stand, »dass Sie in ernsthaften Schwierigkeiten sind, Neddick.«
    Neddick spuckte neben die Mistgabel.
    »Irgendeine Vorstellung, wie Sie da wieder rauskommen?«
    »Das überlass ich Ihnen, Inspector.«
    »Ach ja? Können Sie mir einen einzigen guten Grund nennen, warum ich Sie nicht auf der Stelle festnehmen sollte?«
    »Weil Sie wie ein Idiot dastehen, wenn Sie mich wieder laufen lassen müssen«, antwortete Neddick ruhig. »Zur Hölle, Inspector, Sie wissen verdammt genau, wenn ich die arme Gans loswerden gewollt hätte, wär’n mir siebzehn bessere Arten eingefallen, als ihr eins überzuziehen und die Leiche in meine eigene Einfahrt zu schmeißen.« Er spuckte wieder aus, nicht mehr ganz so kraftvoll wie eben. »Aber wieso sollte ich das gewollt haben? Sagen Sie mir das mal. Sie war praktisch und willig, und sie hat mich nix gekostet außer ab und zu’n

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