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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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Fehlen einer freien Presse und die Tätigkeit der GPU zu „erklären" und zu „rechtfertigen" (aber rechtfertigen tut sie dies nach meiner Meinung nicht damit). Ich mißbilligte die bolschewistische Unterdrückung der persönlichen Freiheit, die für mich zu allen Zeiten praktisch mehr als alles andere bedeutet hat. Andererseits stellte ich in dem gleichen Artikel fest, daß es „das Ziel der Bolschewisten sei, eine neue Gesellschaftsordnung zu schaffen", und daß eine neue Gesellschaftsordnung ohne Ausbeutung das Fehlen einer freien Presse und das Vorhandensein der Geheimpolizei aufwöge.
    Die sowjetische Verheißung belebte meine Phantasie. Die verheißungsvollen Verlautbarungen der Sowjetregierung und ihre nachdatierten Schecks, selbst wenn sie um ein ganzes Jahrzehnt nachdatiert waren, stellten ein wertvolleres Beweismaterial dar als zum Beispiel die unwirtschaftlich und unzureichend funktionierende Arbeitsweise der laufenden industriellen Produktion. Rußlands üble Vergangenheit einerseits und seine Pläne zur Verwirklichung der schönen Zukunft andererseits waren die Dinge, die die allgemeine Urteilsbildung der Gegenwart bestimmten. Das Kapital der Bolschewisten war die Zukunft. Die Bolschewisten erboten sich, jedem einzelnen einen Anteil daran zu verkaufen. Jeden neuen Fünfjahresplan stellten sie als einen schweren, aber notwendigen Schritt zur Erreichung der Neuen Welt hin. Wie konnte man sich über die Kartoffelknappheit beklagen, wenn man doch den Sozialismus aufbaute? Wollte man nicht für Dnjeprostroi und Magnitogorsk auf Butter verzichten, da sie doch mehr Wasserkraft, mehr Stahl und letztlich mehr Butter bedeuteten?
    Die Sowjets wußten um die hypnotische Wirkung des großen Wunschtraumes, und in dem Maße, in dem die verheißene Zukunft Vergangenheit wurde, bemühten sie sich, die vertrauensvolle Erwartung auf die verspäteten Vorteile lebendig zu erhalten. So gaben sie unter anderem Mitte der dreißiger Jahre allen Schriftstellern den Auftrag, die Gegenwart so zu behandeln, als existiere sie nicht, und die Zukunft, als sei sie bereits Wahrheit geworden. Dieser literarische Kniff wurde der „sozialistische Realismus" genannt.
    Wsewolod Iwanow, ein bekannter sowjetischer Schriftsteller, schrieb einen Roman über das Leben in der neuen gigantischen Automobilfabrik in Gorki. Um sich mit seinem Stoff besser vertraut zu machen, nahm er seinen Wohnsitz im Ort und las während seines dortigen Aufenthaltes Teile aus seinem Manuskript in Arbeiterversammlungen vor. Er las ihnen ein Kapitel vor, das die Schwierigkeiten behandelte, die sich für die Arbeiter ergaben, die weite Strecken in schlechten Autobussen auf schlechten Straßen zur Arbeitsstätte fahren mußten. Bei den Versammlungen stellten ihn anwesende Kommunisten zur Rede.
    „Wie lange wird es dauern, bis du den Roman beendet hast?" fragten sie.
    „Sechs Monate", sagte Iwanow schätzungsweise.
    „Danach wird die Zensur ein paar Monate beanspruchen und ein paar weitere Monate der Druck. Dein Buch wird nicht vor einem Jahr herauskommen, und in einem Jahr werden wir gute Straßen und neue Autobusse und neue Wohnhäuser in Fabriknähe haben. Warum also schilderst du nicht diese Straßen, Autobusse und Wohnhäuser, als gäbe es sie bereits?"
    Ich erkrankte einmal in Moskau für mehrere Wochen. Nach einer gewissen Zeit pflegte Markooska, meine Frau, wenn Freunde sich telephonisch nach mir erkundigten, ihnen zu antworten: „Ihm geht es viel besser, aber er weiß es noch nicht." Das war eine private Form des „sozialistischen Realismus", die absichtlich gewählt war, denn sie wurde so gesprochen, daß ich es hören konnte, um als eine Art Coué-Propaganda (Mir geht es täglich besser!) zu wirken.
    Hält man jungen, ehrgeizigen Männern und ihren Eltern einen leicht erreichbaren schönen Erfolg vor Augen, so hält sie das aufrecht.
    Er hielt alle jene aufrecht, die von der neuen sowjetischen Gesellschaftsordnung erwarteten, daß sie den Grundstein zu einer Besserung für die Menschheit legen würde. Sie betrachteten jeden Zoll Fortschritt allen Ernstes so, als wären sie meilenweit vorwärtsgekommen.
    Wahrscheinlich ist es so, daß Aufbau mich begeistert, weil er einen mir angeborenen Glauben an den Fortschritt fördert, und die Art der Sowjets, riesengroße Fabriken, Stauwerke für elektrische Kraftwerke und Städte aufzubauen, begeisterte mich um so mehr, als ich diese Aufbauarbeit durch das Vergrößerungsglas der Hoffnung betrachtete. Dies war nur

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