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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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Niederlage, Inflation und Genesung bewußt, in das sie alle nach dem Kriege verstrickt waren. Viel von der Musik, der Malerei und der Literatur der Weimarer Republik brachte entweder eine revolutionäre geistige Haltung oder Mitleid mit den Armen zum Ausdruck. Man könnte sagen, daß die Augen der Opfer der Nachkriegswelt aus der deutschen expressionistischen Kunst hervorstarrten.
    Ich war Ausländer, und meine erste Reaktion auf dieses Elend war ein starkes Mitleid für die Opfer der Krise, die 1930 anfing. Doch wenn ich auch tief bewegt war von den Arbeitslosen, deren Augen einen von den Straßenrändern her anstarrten, so empfand ich doch anfänglich nicht, daß ich etwas mehr tun könne als sie bemitleiden. Dies kam teilweise daher, weil ich Ausländer war und mich daher in Deutschland als Außenstehender empfand. Erst als die Krise sich auf Großbritannien und andere Länder ausbreitete, fing ich an zu begreifen, daß es eine Krankheit des Kapitalismus war, die die ganze Welt erfaßt hatte. Nach und nach wurde ich überzeugt, daß das einzige Heilmittel für die Arbeitslosigkeit ein anderes als Krieg sei, nämlich eine internationale Gesellschaft, in der die Hilfsquellen der Welt im Interesse aller Menschen der Welt ausgebeutet würden.
    Ein Freund, den Isherwood in seinem autobiographischen Sketch "Lions and Shadows" Chalmers nennt, kam nach Berlin, und eines Tages lud Christopher mich ein, ihn kennenzulernen Chalmers, der eben erst der Kommunistischen Partei beigetreten war, war auf einer Intourist-Rundreise für einige Tage in Rußland gewesen und besuchte Berlin auf seiner Rückreise von Moskau. Er war ein kleiner, dunkler junger Mann von einer lebhaften Schönheit, wie man sie bei Miniaturen findet. Er betrachtete Gegenstände mit festem Blick und der Konzentration eines Mannes, der Vögel beobachtete, wobei er, während er sprach oder zuhörte, sein Gegenüber intensiv mit seinen Augen fixierte. Er machte den Eindruck, als verbinde er Humor mit hoher moralischer Ernsthaftigkeit. Als ich ihn fragte, wie denn die russische Landschaft beschaffen sei, starrte er vor sich hin und sagte in geheimnisvollem Ton, in den sich Ironie mischte: Sie ist die schönste der Welt! In einem anderen Zeitalter wäre er wahrscheinlich Landpfarrer gewesen, der dichterische Inspiration in orthodoxen Paradoxen entdeckt haben würde, die sich in Blumen symbolisiere, die in den Buschhecken eines englischen Gartens verborgen blühen.
    Eines Nachmittags gingen Chalmers und ich in Berlin spazieren. Es dauerte nicht lange, bis wir über den Kommunismus diskutierten. Chalmers hatte eine einfache und klare Auffassung. Arbeitslosigkeit, Krieg und beinahe sämtliche Zeitkrankheiten, einschließlich der sexuellen Eifersucht und den Problemen der Schriftsteller, seien durch das kapitalistische System verschuldet. Man müsse innerhalb der Gesellschaft mit den klassenbewußten Arbeitern zusammenarbeiten und innerhalb des eigenen Wesens zu einem Willensakt kommen. Chalmers gab zu, daß es Leute innerhalb der heutigen Gesellschaftsform gäbe, die die Arbeitslosigkeit und den Krieg nicht liebten. Es könnte sogar sein, daß sie ernsthaft ihren eigenen Interessen entsagten in der Absicht, derartige übel zu beseitigen. Doch solange sie die bürgerliche Gesellschaft mit allem, was daran hängt, als gegeben hinnähmen, seien ihre Bemühungen vergeblich. Denn der Kapitalismus bedeute unumgänglicherweise den Wettkampf zwischen Klassen und Nationen. Gegen die Richtung eines derartigen Systems zu arbeiten und es gleichzeitig zu akzeptieren, bedeute im Höchstfalle, daß man inmitten eines reißenden Stromes einen kleinen Stausee des eigenen klaren Bewußtseins anlege.
    Die einzig mögliche Handlung, die man „im Sinne der Geschichte" in die Tat umsetzen könne, bestünde darin, die Richtung des Stromes völlig zu ändern.
    Dies zu tun sei eine gewaltige Aufgabe; wenn man es täte, dürfe man, abgesehen vom Gesichtspunkt ihrer Wirksamkeit, die Mittel und Wege, die man dabei anwende, und auch das Schicksal der Einzelmenschen nicht besonders in Betracht ziehen. Die Geschichte nähme keine Rücksicht auf diejenigen, die nicht auf ihrer Seite stünden. „Geschichte" war in Chalmers Sinne natürlich die Arbeiter-Revolution, die Diktatur des Proletariats und die Einführung des Kommunismus, womit sämtliche Übel der Gegenwart beseitigt und endlich eine freie Welt geschaffen werde. Chalmers hatte eine ernsthafte Vision von dieser Welt, und er wünschte mit

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