Ein Grausames Versprechen
Schuhen bimmelten, und Lauren roch das ätherische Öl von irgendwelchem Zeug, mit dem sie sich gern betupfte. Früher fand sie es ärgerlich, aber jetzt war es der Geruch von Zuhause. Tom und Felise gingen voraus, Felise hatte sich Toms Schulrucksack aufgeladen und fragte: »Mit wem hast du heute in der Pause gespielt?«
Kristi zupfte ein Blatt von einem Strauch, zerknüllte es, roch daran und gab es dann an Lauren weiter. »Im Ernst«, sagte sie leise, »hast du geweint?«
Lauren schnupperte pro forma an dem Blatt und ließ es dann fallen. »Ach, es hat nur mit der Arbeit zu tun.« Sie konnte es nicht genauer erläutern. Der Zwischenfall erinnerte sie zu sehr an Thomas’ Angriff.
»Gefühle für sich zu behalten ist schlecht für die Milz«, sagte Kristi.
Lauren brachte ein Lächeln zuwege. »Meiner Milz geht es prächtig.« Wenn ihr jemand vor fünf Jahren erzählt hätte, dass Kristi jetzt so sein würde, sie hätte ihn für verrückt erklärt. Aber vielleicht war es bei Alkohol- und Drogensüchtigen wie bei Rauchern - niemand wetterte so leidenschaftlich gegen die alten Laster wie die Bekehrten.
Bei ihrem Haus angekommen, sperrte Kristi die Tür auf, und Tom und Felise stürmten nach oben. Toms Mutter Tamsyn arbeitete fünf Tage die Woche, und sein Vater Ziyad arbeitete am Montag in einem Büro und den Rest der Woche zu Hause, weshalb Tom die Montagnachmittage bei Lauren und Kristi verbrachte. Er tat Lauren leid, weil er immer gern in den Garten lief, um auf dem Reifen zu schaukeln, der an dem alten Maulbeerbaum hing, aber Felise mit ihrem eisernen Willen zwang ihn, zuerst in dem großen Spielzimmer im Dachboden Schule mit ihr zu spielen. Sie hörte bis ins Wohnzimmer hinunter, wie sie Tom herumkommandierte. »Du sitzt da und bist der Lehrer, und ich sitze hier und schreibe in mein Heft, und dann gebe ich es dir, und du verbesserst es und gibst eine Eins mit Stern und sagst, was für ein braves Mädchen ich bin.«
Lauren drückte den Knopf des Anrufbeantworters. » Hallo, das ist ein Anruf für Kristi Yates «, sagte ein Mann. » Können Sie mal vorbeischauen und uns einen Kostenvoranschlag für eine Wandgestaltung in unserem Garten machen? Sie erreichen mich unter …«
»Lösche es.«
»Es ist ein Auftrag«, sagte Lauren und bemühte sich, den Rest der Nachricht zu hören.
»Er hat nicht mal ›Bitte‹ gesagt.«
»Vielleicht hat er es am Schluss getan. Ich spiel die Nachricht noch einmal ab.«
»Er hört sich nach einem Wichser an«, sagte Kristi. »Lösch es einfach.«
Lauren beachtete sie nicht, spulte das Band zurück und schrieb die Telefonnummer des Mannes auf.
»Siehst du, er hat es nicht gesagt.«
Lauren hörte die nächsten drei Nachrichten ab, allesamt von Leuten mit ähnlichen Anfragen, und notierte, wie sie zu erreichen waren. Auf der anderen Seite des Raums schabte Kristi mit einer Schere an ihren Fingernägeln.
»Das ist Geld«, sagte Lauren.
»Wir kommen zurecht.«
»So gerade eben.«
»Wir sind glücklich«, sagte Kristi. »Darauf kommt es an.«
Das Geräusch trampelnder Füße ertönte vom Dachboden. »Nein!«, rief Felise. »Du musst dort sitzen!«
»Außerdem habe ich im Moment sowieso mehr als genug Arbeit«, sagte Kristi.
Lauren rieb sich die Stirn. Der Kopfschmerz kehrte zurück. »Ich gehe unter die Dusche.«
»Ach ja, das hab ich ganz vergessen«, sagte Kristi und legte die Schere weg. »Es gibt kein warmes Wasser.«
»Wieso nicht?«
Kristi zuckte die Achseln. »Ich bin kein Klempner.«
»Hast du einen angerufen?«
»Es ist mir eben erst wieder eingefallen.«
Lauren verharrte.
»Soll ich jetzt einen anrufen?«, fragte Kristi.
»Wäre vielleicht keine schlechte Idee, oder?«
Der Boiler musste ausgetauscht werden, aber der Klempner konnte es an diesem Tag nicht mehr machen, deshalb marschierten Lauren, Kristi und Felise am Abend dankbar zu den Saleebas hinüber. Wieder zu Hause, erklärte Felise, dass sie von nun an für den Rest ihres Lebens jeden Tag mit Tom zusammen zu baden beabsichtige. Laurens Kopfweh hielt trotz Aspirin an, und als sie vor dem Schlafengehen die Lichter ausmachte, hielt sie in der Küche inne und holte die Flasche Rotwein herunter, den sie für Notfälle aufbewahrten.
»Willst du es mir jetzt erzählen?« Kristi stand im Pyjama in der Tür.
Sie war eine gute Zuhörerin, und man fühlte sich besser, wenn man ihr etwas erzählte - so gut sogar, dass man nicht mehr zu reden aufhören wollte, wenn man erst einmal angefangen hatte.
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