Ein Grausames Versprechen
keine Tränenkanäle mehr, seine Atemwege waren beschädigt, und so klang sein Weinen nun. Er streckte ihr eine verbrannte Klauenhand entgegen, und sie nahm sie sanft. Er mochte den Körperkontakt nicht mehr spüren, aber er brauchte ihn trotzdem.
»Eine Hrau.«
Die Ärztin im St. Vincent’s Hospital kannte ihn. »Er war letzte Woche mit einer Tablettenüberdosis hier«, sagte sie vor dem Wiederbelebungsraum zu Lauren. »Wir haben ihm den Magen ausgepumpt und für nächste Woche einen Termin in einer Beratungsstelle für ihn vereinbart, der früheste, den wir bekommen konnten. Seine Frau ist vor drei Monaten hier bei uns an einem inoperablen Gehirntumor gestorben. Hübsche junge Frau, die Diagnose lag erst vier Monate zurück. Ich hatte Dienst, als sie mit schweren Kopfschmerzen kam.« Sie schüttelte den Kopf. »Computertomografie, hier ist Ihr Todesurteil.«
Lauren nickte. Sie brauchte nicht zu fragen, was nun mit dem Mann geschehen würde. Man würde ihn stabilisieren, ihm weitere Infusionen und Morphium geben und seine Familie verständigen. Dann würde man ihn in ein Einzelzimmer legen, die Morphiumdosis hochhalten, damit er nicht litt, und ihn sterben lassen.
»Sehr traurig«, sagte die Ärztin. Ihr Piepser ging los. »Entschuldigen Sie mich.«
Lauren ging zur Toilette, schloss sich ein und setzte sich mit dem Kopf zwischen den Händen auf die Klobrille. Sie stank, und jeder Atemzug erinnerte sie an Thomas’ Drohung.
Als Erstes riechst du den Rauch, dann siehst du die Feuerwehrfahrzeuge, und wenn du näher kommst, drehen sich die Polizisten mit ernster Miene zu dir um, und du weißt, auch ohne, dass sie etwas sagen …
Sie hatte bereits ein Geschwister verloren.
Sie würde genau das tun, was Thomas verlangte.
Es war eine lange Nacht, und sie wurde noch länger durch die Anstrengung, das Geheimnis gegenüber Joe nicht zu verraten. Lauren spürte es als wachsenden Druck in ihrer Brust, der sich ein Ventil durch ihren Mund schaffen wollte. Aber sie musste nur einatmen, um sich an Thomas’ Drohung zu erinnern - selbst nach langem Duschen und mit gewaschenen Haaren und frischen Uniformen roch sie den verbrannten Mann noch an ihnen. Patienten machten Bemerkungen darüber und fragten danach, und Lauren log ihnen vor, sie seien zu einem Fabrikbrand gerufen worden, und es sei Kunststoff, der so komisch roch, denn man konnte den Leuten nicht erzählen, dass sie mikroskopisch kleine Partikel verbrannter Menschenhaut einatmeten.
Um acht Uhr morgens fuhr Joe sie nach Hause. »Hast du etwas vor für heute?«
»Nicht viel«, log sie. »Und du?«
»Am Vormittag natürlich schlafen. Und am Nachmittag dann werden Claire und ich wahrscheinlich etwas zusammen unternehmen.«
Sie nickte. »Willst du immer noch diesen Überstundentag morgen machen?«
»Versuch mich davon abzuhalten.« Er rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. »Du bist doch auch noch dabei, oder?«
»Ja, verdammt.«
»Gut.« Er hielt vor ihrem Haus. »Wäre nicht dasselbe, mit jemand anderem zu arbeiten.«
Sie spürte den Drang, es ihm zu erzählen, aber dann sah Joe an ihr vorbei und winkte. Lauren wandte den Kopf und sah Felise im Eingang stehen und zurückwinken. Beschütz sie.
»Bis morgen«, sagte sie.
»Auf jeden Fall.«
Kristi rümpfte die Nase, als Lauren die Treppe heraufkam. »Na, das riecht aber.«
»Frag lieber nicht.« Lauren neigte wiederholt den Kopf in Richtung Felise.
»Ach so, okay.« Kristi begann wieder, ihren Rucksack zu packen.
»Wo arbeitest du heute?«
»In diesem protzigen Bau in Point Piper.«
»Wie weit sind sie mit dem Gebäude?«, fragte Lauren. »Ich meine, sind die Türen schon drin, muss man läuten, um hineinzukommen und so?«
»Ach woher. Dort wimmelt es von Handwerkern. Sie lassen die Türen einfach offen.«
Es wimmelte vor Leuten. Das war gut.
»Wieso fragst du?«
Lauren zuckte mit den Achseln. »Reine Neugier.«
Kristi kam auf sie zu, um sie zum Abschied zu umarmen, blieb dann aber plötzlich stehen.
»Ich denke, wir belassen es heute bei einem Winken«, sagte Lauren.
»Bist du fertig?«, rief Kristi zu Felise. »Hast du deine Tasche?«
»Ich komme.«
Lauren brachte sie bis zum Wagen und wartete, bis sie weggefahren waren. Sie blickte die Straße hinauf und hinunter, bemerkte aber keinen lauernden Mann, niemanden, der geduckt in einem Wagen saß. Im Haus schloss sie die Tür ab und ging ein weiteres Mal unter die Dusche, und sie überlegte dabei, was sie den Detectives
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