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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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gefällig ist, so kann ich ihm unser gesamtes Vermögen überschreiben und ihn nach meinem Tode zu meinem Erben machen, als wäre er mein leiblicher Sohn, aber unter der Bedingung allerdings, daß Euer Gnaden, außer an hohen Feiertagen, mein Haus mit keinerlei Besuch beehren. Wenn Euch das paßt, so bringt morgen früh den Knaben zu mir, er kann doch nicht immer beim Knöchelspiel bleiben.‹ Er sagte das und fuhr davon, die Mutter ließ er wie besinnungslos zurück. Es hat sich herumgesprochen, verschiedene Leute haben davon gehört und reden ihr zu: ›Der Kleine wird heranwachsen, er wird dir Vorwürfe machen, daß du ihn um so ein Glück betrogen hast.‹ Die ganze Nacht hat sie über ihm geweint und vormittags ihr Kind weggebracht. Der Knabe aber war weder tot noch lebendig.
    Maxim Iwanowitsch kleidete ihn wie ein junges Herrchen und stellte für ihn einen Lehrer an und setzte ihn von Stund an hinter Bücher; es kam so weit, daß er ihn kaum aus den Augen ließ und ihn immer in seiner Nähe hielt: Kaum guckt der Knabe in die Luft, brüllt er schon: ›Ans Buch! Lern: ich will aus dir einen Menschen machen.‹ Aber der Knabe war schwächlich, und seit damals, nach jenem Peitschen, ist er den Husten nicht mehr losgeworden. ›Hat er es denn nicht gut bei mir?‹ wunderte sich Maxim Iwanowitsch. ›Bei seiner Mutter lief er barfuß, hat nichts als Brotrinden gekaut, wieso ist er denn jetzt noch schmächtiger als damals?‹ Darauf antwortet der Lehrer: ›Jeder Knabe muß auch spielen und nicht nur lernen; ohne Motion kommt er nicht aus‹, und erklärt ihm alles höchst vernünftig. Maxim Iwanowitsch überlegte: ›Da hast du wahr gesprochen.‹ Und dieser Lehrer, Pjotr Stepanowitsch, Gott schenke ihm ewige Ruhe, war wie ein Jurodivyj ; er trank gern, sogar über alle Maßen, und damals hatte man ihn schon längst aus allen Stellungen entlassen, und er lebte in der Stadt so gut wie von Almosen, war aber von großem Verstand und in den Wissenschaften unbeirrbar. ›Ich gehöre doch nicht hierher‹, sagte er von sich selbst, ›ich gehöre an die Universität, als Professor, aber hier bin ich in Kot getunkt , und ‘meine Kleider werden mir scheußlich anstehen’.‹ Maxim Iwanowitsch setzte sich hin und brüllt den Knaben an: ›Spiele!‹ – der aber wagt vor ihm kaum Luft zu holen. Und es kam so weit, daß das Kind nicht einmal mehr seine Stimme ertragen konnte – es begann von Kopf bis Fuß zu zittern. Maxim Iwanowitsch aber wunderte sich immer mehr: ›Was ist das für einer? Ich habe ihn aus dem Kot gezogen, ihn in Drap de dames gekleidet; er trägt Halbstiefelchen mit Stoffstulpen, ein Hemd mit bestickter Hemdenbrust, ich halte ihn wie einen Generalssohn, wieso mag er mich nicht? Warum schweigt er wie ein Wolfsjunges?‹ Wiewohl alle sich über Maxim Iwanowitsch schon längst nicht mehr wunderten, wunderten sie sich wieder von neuem: Der Mann ist völlig außer sich, setzt einem jungen Kinde so zu und kann nicht von ihm lassen. ›Ich werde den Charakter in ihm ausrotten, und koste es mein Leben. Sein Vater hat mich verflucht, auf seinem Totenbett, als er schon das Heilige Abendmahl empfangen hatte; und er hat den Charakter seines Vaters.‹ Dabei hat er nicht ein einziges Mal die Rute angewandt (er fürchtete sich davor seit damals). Er hat ihn eingeschüchtert, das war’s. Er hat ihn ohne Rute eingeschüchtert.
    Und dann geschah es. Kaum war er einmal hinausgegangen, da sprang der Knabe vom Buch auf und mit einem Satz auf den Stuhl: Vorher war ihm der Ball auf die Chiffonière geraten, und da wollte er den Ball herunterholen, blieb aber mit dem Ärmel an der Porzellanlampe hängen, die auf der Chiffonière stand; die Lampe flog herunter, krachte auf den Fußboden, die Scherben flogen nur so, daß es im ganzen Haus klirrte, und es war ein teures Stück – sächsisches Porzellan. Und da hörte man plötzlich Maxim Iwanowitsch aus dem übernächsten Zimmer brüllen. Das Kind stürzte voller Schrecken, aufs Geratewohl, auf die Terrasse hinaus und durch den Garten und durch die hintere Gartentür direkt auf die Uferstraße. Und auf der Uferstraße, da zieht sich ein Boulevard entlang, mit alten Weiden, ein heiterer Ort. Er lief hinunter ans Wasser, die Menschen haben es gesehen, schlug die Hände zusammen, genau an dem Platz, wo die Fähre anlegt, und muß sich wohl vor dem Wasser erschrocken haben – da blieb er wie angewurzelt stehen. Dort ist der Fluß breit, die Strömung schnell, Barken ziehen

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