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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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Skinner!« Nun lächelte sie wirklich. »Vergessen Sie Ihre Schlüssel nicht.«
    Max nahm die Schlüssel und den Aktenordner an sich, einen dicken Wälzer; bevor er die Kanzlei verließ, blieb er am Schreibtisch der Sekretärin stehen. »Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Abend, Madame. Mit Champagner und Tanz in den Morgen.«
    Die Frau blickte zu ihm hoch und nickte. »Was sonst, Monsieur.« Sie sah ihm nach, wie er leise vor sich hinpfeifend durch die Eingangstür verschwand. Es war immer das gleiche Lied mit den jungen Männern, wenn sie Maître Auzet zum ersten Mal begegneten.

 
VIER
     
    Max ließ das Dorf hinter sich und fuhr zum Haus, wobei er an jeder Ecke auf Erinnerungen stieß. Die Gräben zu beiden Seiten der Straße waren noch genauso tief und von Unkraut überwuchert wie damals, als Onkel Henry ihn jeden Morgen auf einem klapprigen alten Fahrrad zum Bäcker geschickt hatte, mit der Aussicht auf fünf Francs Belohnung, wenn die Croissants bei seiner Rückkehr noch warm waren. Es war stets ein Wettlauf gegen die Bestzeit gewesen: Er trat wie verrückt in die Pedalen, um seinen eigenen Rekord zu brechen und den alten Senftopf, der neben seinem Bett stand und als Sparbüchse diente, mit weiteren Fünf-Centime-Stücken zu füllen. Der Topf, zu Beginn der Ferien noch leer, war am Ende immer voll und herrlich schwer. Damals hatte Max zum ersten Mal das Gefühl gehabt, reich zu sein.
    Er hielt vor den Steinsäulen an, die verfallen, fleckig und nach zwei Jahrhunderten beinahe schwarz von der Witterung waren - sie markierten den Beginn des ungepflasterten Zufahrtsweges zum Haus. In dem morschen Gestein war gerade noch der eingravierte Name des Anwesens zu entziffern: Le Griffon; die Buchstaben wirkten weich und verschwommen durch das Moos, das sie nach ihrem langen Kampf gegen die Elemente angesetzt hatten.
    Max fuhr weiter, an den gepflegten Weinstöcken vorbei, die in Reih und Glied Spalier standen, und parkte den Wagen unter einer Platane - einem riesigen Baum, prä-napoleonisches Zeitalter -, welche die lange Südmauer der bastide überschattete. Im Gegensatz zu dem gestutzten und gehegten Weingarten befand sich der »häusliche« Garten in einem Zustand beträchtlicher Vernachlässigung, wie die gesamte äußere Umgebung des Hauses. Das alles erinnerte Max an eine distinguierte grande dame, hinter deren Schminke die ersten Verschleißerscheinungen und Risse lauern. Die Fugen der eigentlich hübschen Fassade bedurften einer neuen Füllmasse, der dunkelgrüne Lack auf der Eingangstür war gewellt und blätterte ab. Im Hof hatte sich widerstandsfähiges Unkraut den Weg durch den Kies gebahnt, und das Wasser in dem eckigen bassin aus Naturstein bildete eine zähflüssige, undurchsichtige Kulisse für einen Trupp hart kämpfender Wasserlilien. Tauben haderten und zankten miteinander im Geäst der Bäume.
    Der Anblick stimmte ihn ein wenig traurig. Dennoch sah man, wie das Haus einmal ausgesehen haben musste und was man wieder daraus machen konnte. Max ging um die beiden nach vorn offenen Scheunen herum, die auf der einen Seite an das Haus angrenzten. Wenn er sich recht erinnerte, pflegte Onkel Henry seinen verbeulten schwarzen Citroën DS dort unterzustellen. Der Wagen hatte längst das Zeitliche gesegnet, geblieben waren nur ein Sammelsurium verrosteter landwirtschaftlicher Geräte und zwei Fahrräder - bereits hochbetagt, als er sie zum ersten Mal zu Gesicht bekommen hatte - mit roten Gummirädern, die er damals ungemein exotisch fand.
    Er kehrte zur Eingangstür zurück und probierte einen Schlüssel nach dem anderen, aber es gelang ihm nicht, sie zu öffnen. Dann fiel ihm ein, dass sich die Schlösser hier nicht wie die anglosächsischen, sondern in Einklang mit der querköpfigen französischen Art in die entgegengesetzte Richtung drehten. Kopfschüttelnd stieß er die Tür auf. Diese Franzosen, sie machten es Ausländern wirklich nicht leicht! Auch die einfachsten Dinge konnten sie verkomplizieren.
    Sobald er drinnen war, gelang es ihm, die breiten Stufen einer Steintreppe auszumachen, die im Dämmerlicht der geschlossenen Fensterläden aufragte. Von zwei Seiten der Eingangshalle führten zweiflügelige Türen zu den Haupträumen des Erdgeschosses, ein klassischer Grundriss der bastides. Er tappte in die höhlenartige Küche und öffnete die Fensterläden, damit das Sonnenlicht des Spätnachmittags hereinfluten und die Staubflocken aufwirbeln konnte, die in der abgestandenen Luft schwebten. Ein

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