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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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nach oben zu gehen, sich hinzulegen und die Augen zu schließen.
    Seine erste, instinktive Reaktion bestand darin, Widerstand zu leisten, indem er sich lächelnd eine oft wiederholte Lektion von Mr. Farnell in Erinnerung rief, dem Geschichtslehrer an seiner alten Schule. Die Siesta war, laut Farnell, ein unheilvoller Brauch, der von Zügellosigkeit zeugte und für Ausländer typisch war; er schwächte die Willenskraft und trug zum Untergang ganzer Zivilisationen bei. Dieser Umstand hatte die Briten, die nach dem Mittagessen nie ruhten, dazu befähigt, die Gunst der Stunde zu nutzen und ihr Imperium zu errichten, Stück für Stück. Quod erat demonstrandum.
    Doch das Innere des Hauses war angenehm kühl und die endlose Serenade der cigales wunderbar beruhigend. Max ging in die Bibliothek und nahm wahllos ein Buch aus den Regalen. Er beschloss, noch eine halbe Stunde zu lesen, bevor er den Rest des Nachmittags in Angriff nahm. Er machte es sich in einem der alten ledernen Clubsessel bequem und schlug das Buch auf, eine abgegriffene Ausgabe von E.I. Robsons A Wayfarer in Provence; dieser Reiseführer durch die Provence, auf Schusters Rappen, war 1926 zum ersten Mal erschienen. Schon auf der allerersten Seite entdeckte Max fasziniert, dass die »Barbaren« in die Provence einmarschiert waren. Bedauerlicherweise erreichte er nie Seite zwei, trotz des viel versprechenden Anfangs.
    Er wurde jäh aus seinem Schlummer gerissen, von einem Donnerschlag, wie er zunächst meinte, bis ihm bewusst wurde, dass jemand versuchte, die Eingangstür mit Gewalt aufzubrechen. Er schüttelte den Kopf, um richtig wach zu werden, und öffnete die Tür; auf der Schwelle standen ein Mann mit hochrotem Gesicht und ein Hund mit blassblauem Kopf. Beide starrten ihn mit unverhohlener Neugierde an.

 
SECHS
     
    Die beiden Männer musterten sich einen Moment, bevor der Verwalter das Lächeln aufsetzte, das er auf dem Hinweg geübt hatte, und seine fleischige Pranke ausstreckte.
    »Roussel, Claude.«
    »Skinner, Max.«
    Roussel deutete mit dem Kinn nach unten. »Mein Hund, Toto.«
    »Aha, Toto.« Max bückte sich und tätschelte ihn, wobei er eine blaue Staubwolke aufwirbelte. »Ist das seine natürliche Farbe? Sehr ungewöhnlich. Ich habe noch nie einen blauen Terrier gesehen.«
    »Ich war dabei, die Rebstöcke zu sprühen, der Wind drehte...« Der Verwalter zuckte mit den Schultern, als Toto an Max vorbei in die Küche schlüpfte.
    »Bitte, kommen Sie doch herein.«
    Roussel nahm seine flache Kappe ab und folgte Max ins Haus.
    Sie erreichten die Küche gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Toto nach Art der kleinen, selbstbewussten Hunde ein Bein hob und ein Bein des Küchentisches taufte. Sein Besitzer stauchte ihn zurecht und entschuldigte sich wortreich, dann fügte er hinzu: »Ein sicheres Zeichen, dass er Sie mag.«
    Max legte eine alte Zeitung auf die Pfütze, um sie aufzusaugen. »Was macht er, wenn er jemanden nicht ausstehen kann?«
    Roussels Lächeln verblasste kaum. »Oho. Le sens de l'humour anglais. Kennen Sie den? Mein Schneider ist gut betucht, eh?«
    Max hatte nie verstanden, wie dieser Ausspruch als Sinnbild des typisch englischen Humors in die französische Sprache eingehen konnte oder warum die Franzosen ihn komisch fanden, aber er lächelte pflichtschuldig. Roussel hatte etwas an sich, was ihm gefiel; außerdem bemühte sich der Mann ganz offensichtlich nach besten Kräften, einen guten Eindruck zu machen.
    Und sogar zu helfen. »Was die Installationsarbeiten betrifft«, sagte der Verwalter, »so können Komplikationen auftreten, wenn der Wasserstand im Brunnen niedrig ist. Die Pumpe hat schon einige Jahre auf dem Buckel, sie braucht Ermunterung. Und die Sache mit der Sickergrube ist auch nicht ohne: Sie kann eigenwillig reagieren, wenn der mistral weht.« Er senkte den Kopf, spähte unter seinen überwucherten, von der Sonne ausgebleichten Augenbrauen zu Max hinauf und tippte an seine Nase. Die histoire war zweifellos keine erfreuliche.
    »Ich habe mich in den letzten Jahren um solche Dinge gekümmert, als Ihr Onkel Skinner das wegen seiner nachlassenden Sehkraft nicht mehr so recht konnte.« Roussels Miene wurde lammfromm, und er bekreuzigte sich, als er den Namen des alten Mannes erwähnte. »Un vrai Gentleman. Wir haben im Lauf der Jahre eine sehr enge Beziehung zueinander entwickelt, wissen Sie. Fast wie Vater und Sohn.«
    »Ich bin froh, dass Sie sich um ihn gekümmert haben.« Max schüttelte sein Bein, um es aus

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