Ein guter Jahrgang-iO
Tanz. Max hatte das Gefühl, eine Spitzenleistung vollbracht zu haben, als es ihm gelungen war, die Entfernung zwischen Bar und Tisch - die nicht mehr als fünfzig Meter betrug - in zehn Minuten zurückzulegen.
Christie und Charlie hatten vier Plätze und einen Literkrug mit Wein am Ende eines langen Tisches genau vor der Bühne ergattert. Charlie versprühte seinen ganzen Charme, als er Fanny vorgestellt wurde, sprang auf, beugte sich über ihre Hand und murmelte sein nicht mehr korrigierbares enchanto, enchanto mit mehr als dem üblichen Enthusiasmus. Doch dieser ging bedauerlicherweise in den Refrains und bravourösen Passagen der Akkordeonspieler unter, die zu voller Lautstärke aufdrehten, und erst als sie wissen wollte, wie lange er in St. Pons zu bleiben gedachte, wurde das Sprachproblem offenkundig.
Fanny wandte sich an Max. »Ihr Freund spricht nicht Französisch?«
»Doch, aber er begnügt sich mit ungefähr vier Worten. Ich bin für heute Abend zum offiziellen Dolmetscher ernannt worden.«
Und so waltete er seines Amtes: Er leitete Fannys Bemerkungen über die Dorfbewohner weiter, die ihre Plätze an den umliegenden Tischen einnahmen, eine Art inoffizielles Who's Who der mehr oder weniger prominenten Persönlichkeiten von St. Pons. »Da drüben, das ist Borel, seit zwanzig Jahren Bürgermeister, ein netter Kerl, Witwer. Er hat ein Auge auf die Witwe Gonnet geworfen - am Nachbartisch -, die im Bureau de Poste arbeitet, aber er ist très timide, sehr schüchtern. Vielleicht ermutigt ihn die Musik. Und am anderen Ende unseres Tisches sitzen Arlette von der épicerie und ihr Mann. Wie man sieht, ist sie sehr groß und er sehr klein. Man munkelt, dass sie ihn schlägt.« Fanny kicherte, dann verstummte sie und trank einen Schluck Wein. Max atmete ihren Duft ein und bezwang den Impuls, ihr die Haare zurückzustreichen und ihren Nacken zu küssen.
»Die zwei sehen nicht wie Einheimische aus.« Er deutete mit dem Kopf auf ein teuer gekleidetes Paar, das am Rande des Trubels stand. Sie trugen beide eine so überhebliche Miene zur Schau und schienen über das gemeine Fußvolk die Nase zu rümpfen.
Fanny schniefte. »Die Villeneuve-Loubets, sehr prétentieux. Sie haben ein Haus im 16. Arrondissement in Paris und einen Landsitz unweit von Aix. Sie behauptet, in direkter Linie von Ludwig XIV. abzustammen, was ich ihr aufs Wort glaube. Die Ähnlichkeit ist unverkennbar.« Ein weiteres Kichern. »Sie sind mit Nathalie Auzet befreundet. Geschieht ihnen recht; die drei haben sich gesucht und gefunden.«
»Sie scheinen nicht viel von Nathalie zu halten.«
Fanny sah Max an und neigte ihm ihre nackte braune Schulter zu. »Sagen wir, wir haben unterschiedliche Interessen.«
Max fragte sich gerade, wann Nathalies bühnenreifer Auftritt erfolgen würde, als ihn eine schwere Hand auf die Schulter schlug. Er drehte sich um und sah Roussel in seiner Yves-Montand-Aufmachung vor sich und Ludivine, majestätisch in Purpurrot. Fanny hatte zweifellos ein Faible für beide, und als sie weitergingen, um sich einen Platz zu suchen, sagte sie zu Max: »Ein herzensguter Mann. Er hat mir sehr geholfen, als ich mein Restaurant eröffnete, und tat sein Bestes, um für Ihren Onkel zu sorgen... oh merde. Da kommt der Oktopus.«
Max blickte hoch und gewahrte einen Kraftprotz mittleren Alters, der den Tisch entlang auf sie zustapfte, ein lüsternes Grinsen auf dem geröteten Gesicht. »Das ist Gaston - er beliefert mein Restaurant«, erklärte Fanny. »Ein Grobian, aber sein Fleisch ist immer gut. Ich werde nicht umhinkönnen, mit ihm zu tanzen.«
»Bonsoir; ma jolie!« Der Mann blieb vor dem Tisch stehen, ignorierte Max, ließ einen Finger kreisen und schwenkte seine ausladenden Hüften. »Sie spielen einen paso doble, nur für uns.«
Mit einem fadenscheinigen Lächeln und einem entschuldigenden Drücken von Max' Schulter ließ sich Fanny zur Tanzfläche führen, wobei Gastons Hand auf ihrem bloßen Rücken unterhalb der Taille völlig unnötig Hilfestellung leistete.
Christie bemerkte Max' untröstliche Miene. »Wenn das die ganze Konkurrenz ist, brauchst du dir meines Erachtens keine allzu großen Sorgen zu machen«, sagte sie und tätschelte seinen Arm. »Hör mal, geht das in Ordnung, wenn wir dich kurz allein lassen? Charlie behauptet, er sei der Nurejew des paso doble.«
Max gab sich redlich Mühe, nicht ständig auf Gastons wandernde Hände zu starren, als er ein vertrautes Kreischen vernahm und Madame Passepartout in einem
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