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Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Ein guter Mann: Roman (German Edition)

Titel: Ein guter Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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brauchen.«
    Der Bach floss in einer steilen Rinne, war nicht breiter als fünfzig Zentimeter, führte aber genügend Wasser. Er war dreißig Zentimeter tief und floss leise gurgelnd über grellgrüne Pflanzen.
    »Das Wasser muss möglichst schnell fließen, damit wir den Dreck schnell runterkriegen«, überlegte Achmed. »Es wäre gut, wenn ich eine Schaufel kriegen könnte. Dann würde ich so etwas wie ein kleines Badebecken machen. Dann kann Dimitri ganz eintauchen.« Er sah Pjotr an. »Geht das?«
    Pjotr nickte. »Kein Problem. Wir wollen ja nicht, dass jemand zu Schaden kommt. Ich schicke dir Dimitri, dann könnt ihr das zu zweit angehen. Schaufeln habe ich gesehen.« Er wirkte freundlich und lächelte.
    Dann rief er laut: »Dimitri!«, und schickte einen russischen Satz hinterher.
    Dimitri erschien nach einer Weile in der Scheunentür und trug zwei verrostete Schaufeln. Er lächelte Achmed und Pjotr zu und fragte etwas auf Russisch.
    Pjotr antwortete mit einer schnellen Kaskade hart klingender Sätze und deutete auf den Bach.
    Dimitri nickte und reichte Achmed eine Schaufel.
    »Pass auf«, erklärte Achmed und deutete an, wie groß das Loch sein musste, damit der große Dimitri eintauchen konnte.
    »Bis später«, sagte Pjotr freundlich und ging zurück in die Scheune.
    Sie gruben eine Weile schweigend, bis der Stiel von Achmeds Schaufel abbrach.
    »Shit!«, sagte Achmed.
    »Schon in Ordnung«, sagte Dimitri. »Kein Problem. Das schaffe ich auch allein.«
    Achmed setzte sich ins Gras und schaute zu, wie Dimitri schnell und kraftvoll das kleine Becken aushob.
    Dimitri war ein Hüne, groß und massig mit langen blonden Haaren, die ihm bis auf die Schulter reichten. Er mochte dreißig Jahre alt sein. Sein Gesicht war weich und rund und wirkte wie ein freundlicher Mond.
    Aber Achmed hatte in ein paar Stunden gelernt, dass bei diesen Männern nichts so sein musste, wie es schien.
    »Bist du aus Moskau?«, fragte er.
    »Meine Familie lebt in Georgien«, antwortete Dimitri. »Wenn ich genug Geld zusammenhabe, will ich dort auch leben. Und du? Hast du Familie?«
    »Ja«, nickte Achmed. »Zwei Söhne, eine Ehefrau.« Er grinste etwas gequält. »Natürlich die beste Ehefrau der Welt.«
    Dimitri nickte. »Ich kenne ein Mädchen in meiner Heimat. Die werde ich fragen. Wir werden Kinder haben.«
    Die Sonne stand schon tief, der Tag ging langsam zur Neige, und Achmed spürte Panik aufsteigen. Er wusste, dass er nur diese Nacht hatte, und er traute Pjotr nicht mehr über den Weg. Er war sicher, dass Pjotr gnadenlos töten würde, wenn irgendetwas seine Kreise störte. Wie konnte er es schaffen, die Scheune zu verlassen?
    Weil er ein guter Spion war, ließ er sich auf den Rücken sinken, starrte in die Wipfel der Pappeln und fragte ganz gelassen: »Wo sind wir hier eigentlich?«
    »Da drüben ist ein kleiner Ort«, sagte Dimitri und deutete quer über die Scheune hinweg. »Ist aber tote Hose, nichts los. Da möchte ich nicht tot überm Zaun hängen, wie wir sagen.«
    Achmed lachte. »Also noch zwei oder drei Tage Berlin, und dann kannst du wieder in dein Moskau zurück. Und dann machst du Ferien und schnappst dir dein Mädchen und machst ihr ein Kind.«
    Dimitri grinste und sagte: »Du lieber Gott, nein, so einfach ist das nicht. Ich muss mit ihren Eltern reden, lange verhandeln, verstehst du, alles wird geregelt, jedes Betttuch, jede Gardine. Es ist eine furchtbare Rederei, und nach Monaten darf ich dann Händchen halten, aber nichts anderes.« Er lachte.
    »Ist in dem Ort da drüben eigentlich eine Kneipe?«, fragte Achmed und kaute auf einem Grashalm herum.
    Es blieb eine kleine Weile still.
    »Du solltest so etwas nicht denken«, erklärte Dimitri. »Du weißt doch: keine Handys, keine Telefone, keine fremden Menschen, kein Kontakt zu niemandem. Wenn du etwas anderes denkst, bist du schnell tot.«
    »Pjotr ist ein strenger Chef«, sagte Achmed mit einem Seufzer. »Kannst du mir sagen, warum dein Kollege den beiden Fahrern das Knie zerschossen hat?«
    »Na ja, es ist irgendwie Krieg, wenn wir wo hinkommen«, murmelte Dimitri. »Jeder will ihn gewinnen. Am besten ist der Gegner, der nicht mehr kriechen kann.«
    »Hättest du auch geschossen?«
    Dimitri hielt einen Moment inne und stützte sich auf die Schaufel. »Das ist keine gute Frage«, antwortete er. »Mein Kollege hat geschossen. Er hat geschossen, und ich habe die Kisten geschleppt. So war das.«
    »Du hättest nicht geschossen«, sagte Achmed scheinbar zufrieden.

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