Ein guter Mann: Roman (German Edition)
am besten helfen können.«
Stahlmann sah Müller an und fragte: »Wer sind Sie?« Seine Sprache war undeutlich, wahrscheinlich wegen des Morphiums, aber seine Augen waren wachsam.
»Ich bin ein Mitarbeiter des Innenministeriums, Abteilung Innere Sicherheit«, erklärte Müller. »Kann ich mich dort auf einen der Stühle setzen?«
»Selbstverständlich«, antwortete der Arzt.
Sie setzten sich.
»Es waren Terroristen, nicht wahr?«, fragte Stahlmann.
»Das wissen wir nicht. Wie kommen Sie darauf?«
»Ganz einfach«, erklärte der Verwundete. »Das lief alles ab wie am Schnürchen. Und vor allem: Diese Männer haben kein Wort gesagt, keinen Befehl gebrüllt. Nichts. Sie waren vollkommen lautlos. Es hat nur Krach gegeben, als sie das Fahrerhaus blind geschossen haben. Wissen Sie, an was ich gedacht habe? An Totentanz, an Edward Munchs Der Schrei . Das Ganze lief irgendwie abartig.«
»Kann es nicht sein, dass die Männer nur das Kobalt 60 rauben wollten? Schließlich ist das Stoff für rund hundertsechzigtausend Euro.«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Stahlmann. »Auf keinen Fall. Dazu lief alles viel zu gekonnt ab. War das mit dieser komischen Pistole ein elektromagnetischer Impuls?«
»Das nehmen wir an«, sagte Müller. »Aber wahrscheinlich haben sie die genaue Wellenlänge Ihres GPS-Systems gehabt, und sie konnten Ihre Handys lahm legen.«
»Ja, ja, das war wohl der Kleine mit dem Laptop«, sagte Stahlmann. »Den habe ich genau gesehen. Man kann Handys ja nicht nur orten, sondern auch lahm legen. Man muss nur ein paar Funktionen kennen, die dem normalen Käufer verschwiegen werden.«
»Aber wieso dann der Laptop?«, fragte Müller.
»Ganz einfach. Du kannst doch heute vom Handy Bilder auf einen Computer schicken, nicht wahr? Genauso kannst du, wenn du die Funktionen kennst, mit dem Computer umgekehrt auch ins Handy gehen. Das geben die Hersteller nicht zu, aber so ist das nun mal. Als die UMTS-Lizenzen für Milliarden verscheuert wurden, hat Vater Staat gesagt: Aber ein paar Funktionen behalte ich mir vor. Und diese Trottel auf der Straße glauben wirklich, dass ihre Handyverbindungen sicher sind.«
Müller nickte. Erst jetzt entdeckte er, dass die Bettdecke von Stahlmann merkwürdig viereckig wirkte. Sie haben ihm einen Kasten über das Bein gestülpt, dachte er.
»Können wir zurückkommen auf den kleinen Mann mit dem Laptop? Was glauben Sie, wie lange Sie den gesehen haben?«
»Also, ich stieg aus dem Wagen und schrie diese Männer an, und jemand schlug mich mit der Kalaschnikow zusammen. Als ich wieder zu mir kam, sah ich den Kerl auf der Straße stehen. Er war vielleicht fünf Meter weg und stand mitten auf der Fahrbahn. In seiner Linken hielt er den Laptop wie ein Kellner sein Tablett. Und die Finger der rechten Hand spielten darauf herum, rasend schnell. Ich dachte: Na klar, mit so einem Spezialisten kriegst du auch die Deutsche Bank geknackt. Ich muss ihn lange gesehen haben, zwanzig Sekunden vielleicht.«
»Wie sah er aus?«
»Die anderen waren alle in Bewegung. Der fiel mir auf, weil er so ruhig auf der Straße stand wie ein Dirigent an seinem Pult. Alle anderen waren ziemliche Brocken und schleppten wieselflink unsere Kobalt-Pakete zu ihrem Fahrzeug. Aber der Kleine war die Ruhe selbst. Er trug normale blaue Jeans. Helle, weiße oder graue Sportschuhe. Ein einfaches dunkles Sweatshirt. So waren sie alle gekleidet. Und wegen der Sturmhaube auf dem Kopf konnte man das Gesicht nicht sehen.«
»Wie groß schätzen Sie ihn?«
»Also, ich bin einen Meter sechsundsiebzig groß. Ich schätze den Kleinen auf eins sechsundsechzig, vielleicht eins achtundsechzig.«
»Und dann haben Sie ihn aus den Augen verloren?«
»Ja! Weil ein Schwein von denen mir ins Knie geschossen hat.«
»Natürlich«, flüsterte Müller verlegen.
»Können Sie mir sagen, warum das Schwein geschossen hat? Ich meine, ich wüsste das gern.« Stahlmann bewegte sich unruhig.
»Ich kann diese Frage nicht beantworten«, sagte Müller.
»Aber es war so sinnlos!« Stahlmann brüllte plötzlich. »Ich meine, ich war doch schon kaputt.«
Der Arzt sprang nach vorn an Stahlmanns Bett und drückte ihn sanft in die Kissen zurück.
Stahlmann schluchzte noch ein paarmal. Dann sagte er undeutlich: »Wie geht es Bohnen? Herr Doktor, können wir nicht zusammen in einem Zimmer liegen? Das würde uns helfen.«
»Das kommt, ich verspreche es«, sagte der Arzt. Dann sah er Müller an und zog die Augenbrauen hoch.
»Ich danke
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