Ein gutes Herz (German Edition)
Suche nach Eileen, mitfinanziert. Da war er noch sehr jung, um die sechsundzwanzig. Aber schon damals hatte er viel Geld. Bargeld. Immer Bargeld, nie Schecks. ’88 war ich mit ihm in Israel. Er bezahlte alles, hatte bündelweise Scheine in der Tasche. Er kokste, und ich war für ihn ein Waschlappen, weil ich immer nein sagte. Die Mesusa, die ich zu Hause habe, hat er im King David eigenhändig von einer Tür abgeschraubt. Für mich. Er war verrückt, auf sympathische Art verrückt, meistens. Manchmal auch nicht. Aber er hat mich immer respektiert, und ich ihn, trotz allem. Ich fand ihn immer faszinierend.«
»Faszinierend?«, wiederholte sie kritisch. »Was soll das genau heißen? Du bist doch Schriftsteller, kannst du dich nicht präziser ausdrücken?«
Sie sah, dass er über ihre Worte erschrak.
»Gut, ich werde es anders ausdrücken. Ich hatte Angst vor ihm, obwohl ich keine Angst vor ihm zu haben brauchte. Er hatte eine dunkle Seite, nein, eine pechschwarze Seite. Aber er gönnte mir, dass ich im Licht stand. Vorbehaltlos. Ich brauchte keine Angst vor ihm zu haben. Aber ich hatte sie trotzdem.«
Sie nickte lange und heftig.
»Ja. Jetzt verstehe ich. Gut. Lassen wir das jetzt. Ich möchte nie mehr über ihn reden, okay? Nie mehr. Ich weiß nicht, wo er ist, und ich will nicht, dass er wiederkommt. Sprich seinen Namen bitte nie in Nathans Beisein aus. Das ist eine unbedingte Voraussetzung, wenn du mit mir Umgang haben möchtest. Klar? Ist das klar, Herr de Winter? Nein, warte, über zwei Menschen kein Wort, Max Kohn und meinen Vater. Die sind beide tot, abgemacht?«
Er nickte.
»Und noch etwas«, sagte sie. »Als ich Bram Moszkowicz kennenlernte, wusste er da gleich, wer ich bin?«
»Ja. Er hat dich erkannt. Er wusste, wer du bist.«
»Warum hat er das nicht gesagt?«
»Höflichkeit. Er wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Also hat er so getan, als wisse er nicht, wer du bist.«
»Aber dir hat er es erzählt?«
»Ja. Und er sagte dazu, dass du umwerfend schön und gerade nicht liiert seist.«
Sonja zog also von Juan-les-Pins nach Amsterdam-Süd, in eine großzügige, für Nathan und sie ideale Wohnung mit Garten und Keller. Sie war Fachärztin für Notfallmedizin – als solche hatte sie Max Kohn kennengelernt, als dieser mit zwei Schusswunden im Leib in die Notaufnahme der Amsterdamer Universitätsklinik spaziert kam – und konnte gleich wieder voll in ihren Beruf einsteigen.
Leon kümmerte sich um Nathan, wenn sie nicht beizeiten zu Hause sein konnte, aß mit ihm und brachte ihn zu Bett. Er hatte zwei Kinder, die in Amerika studierten, und er skypte oft lange mit ihnen. Es schien ihn keine Mühe zu kosten, ihr die Sorge für Nathan abzunehmen. Sonja hatte jetzt einen munteren, fürsorglichen Mann. Keinen akrobatischen Liebhaber wie Jimmy, kein gefährliches Mysterium wie Max, aber einen treuen jüdischen Mann mit verspielter Phantasie und ein wenig überzogenen rechtspolitischen Sprüchen. Die nahm sie in Kauf.
Der Text der Trauerkarte, die Sonja bekommen hatte, deutete darauf hin, dass Janet Davis Opfer eines tragischen Unfalls geworden war: »Dem Leben unserer geliebten Tochter, Mutter, Schwester, Nichte, der Sonne unseres Lebens, haben Gewissenlosigkeit, Leichtsinn und mangelnde Rücksichtnahme ein Ende bereitet. Janet starb mit sechsundvierzig Jahren, als sie die Einkaufstaschen aus dem Kofferraum ihres Wagens hob. Bei Gott findet sie nun die ewige Ruhe.«
Bevor sie zur Arbeit ging, googelte Sonja Janets Namen mit Ort und Datum. Ein Bericht in der Los Angeles Times erzählte von einem drive by shooting, bei dem Janet Davis von einem Querschläger getroffen worden sei. Sie sei auf der Stelle tot gewesen. Sie hinterlasse zwei Kinder im Alter von sechs und vier Jahren.
Zwei Kinder. Ob sich die Familie der Kinder annehmen konnte? In den paar Tagen, die sie mit Janet zusammen gewesen war, hatte sie aus ihrer Kleidung, ihren Schuhen, dem fehlenden Schmuck erschlossen, dass Janet sich keinerlei Luxus erlauben konnte.
Über Elly, die hinterbliebene Schwester, hatte sich Janet während der Tage an Jimmys Sterbebett ziemlich resolut geäußert. Elly sei eine Süchtige. Da Janet auf der Karte auch als Tochter bezeichnet wurde, war offenbar noch mindestens ein Elternteil am Leben. Konnte der für die Kinder sorgen? Konnte das Einkommen einer älteren Frau oder eines älteren Mannes in South Central L. A ., einem der ärmsten und kriminellsten Viertel der USA , ausreichen, um die Existenz zweier
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