Ein gutes Herz (German Edition)
wusste, wie sie sich am Strand und in den Clubs zu bewegen hatte. Groß, schlank, dunkelbraune, mehr als schulterlange Haare. Sie war jetzt zweiundvierzig, sah aber noch genauso gut aus wie damals auf der Insel. Brüste wie eine pralle Achtzehnjährige. Straffer Po. Nach der Geburt war sie jeden Tag gejoggt und hatte so lange trainiert, bis ihr Bauch wieder glatt war. Für Max. Sie wollte ihn zwar nicht sehen, sie verfluchte und verachtete ihn, aber wenn er käme, würde sie genauso aussehen wie an dem Tag, da sie ihn verlassen hatte, im Jahr der großen Katastrophe.
Eine Woche nach Jimmys Tod – das warme Wetter in Juan-les-Pins hielt an, die Blüten hatten sich jetzt ganz geöffnet, Afua, ihre ghanaische Haushälterin, hatte die Sommerkleidung nach draußen gehängt, damit die Kälte hinausziehen konnte, wie sie es ausdrückte – kam sie auf einer Restaurantterrasse mit einem Niederländer ins Gespräch.
Sie erkannte in dem Mann mit dem silbergrauen, welligen Haar, dem entspannten Lächeln, den hellen blauen Augen gleich den bekannten Amsterdamer Anwalt Bram Moszkowicz wieder. Er hatte eine Villa in Biot. In seiner Begleitung war seine neue Liebe, die Fernsehmoderatorin Eva, intelligent, blond, mit leicht osteuropäischem Einschlag. Die beiden hatten mitbekommen, dass Sonja mit Nathan niederländisch sprach. Moszkowicz erzählte, dass er auch einen Sohn habe, der Nathan heiße. Sie freundeten sich rasch an, und immer, wenn Bram und Eva in der Gegend waren, riefen sie an und fragten, ob Sonja Lust hätte, sie in diesen oder jenen angesagten Club am Strand von Antibes oder Cannes zu begleiten.
Als Moszkowicz und seine Geliebte einige Monate nach ihrer ersten Begegnung wieder einmal in Biot waren, luden sie Sonja zum Grillen ein. Mit von der Partie sollte auch der befreundete Schriftsteller Leon de Winter sein, der vor einem halben Jahr von seiner Frau geschieden worden war.
Sonja war sofort klar, dass man sie mit dem armen verlassenen Schriftsteller verkuppeln und damit dessen Selbstvertrauen auf die Sprünge helfen wollte. Sie sollte also besichtigt werden. Für sie war das kein Problem, und sie wollte diesen de Winter auch gern mal kennenlernen.
Leon de Winter war nach vierjährigem Aufenthalt in Los Angeles in die Niederlande zurückgekehrt und verbrachte nun ein paar Monate in Südfrankreich, um ein Buch zu schreiben.
Liebe auf den ersten Blick war es bei Sonja nicht. Er war vierzehn Jahre älter als sie und wog zwanzig Kilo zu viel, aber er war ein mitreißender Erzähler, der sich seiner selbst und seiner Bestimmung auf Erden ganz sicher zu sein schien. Sie hatte einige seiner Bücher gelesen und erinnerte sich besonders an einen seiner frühen Romane, für den sie sich in ihrer Schulzeit begeistert hatte, eine Geschichte über einen Schriftsteller, der seine große Liebe verpasste.
De Winter hatte sanfte, irgendwie Unschuld ausstrahlende Augen – faszinierend, dass sich dahinter, wie seine Bücher bewiesen, eine kuriose Phantasie verbarg. Und mit welchem jugendlichen Feuer er über Politik und Film redete, fand sie rührend. Er wurde zu ihrem hartnäckigen Verehrer, ein schon fast aus der Mode gekommenes Wort, das die Sache aber gut traf. Dass er sich so um sie bemühte, hatte sie ihrer Meinung nach verdient. Und insgeheim erhöhte sich für sie der Reiz dadurch, dass er ein Schriftsteller war, dessen Phantasie sie bewunderte – in dem Roman, den sie als junges Mädchen gelesen hatte, knisterte es vor Sex und Romantik. Drei Tage nach ihrer ersten Begegnung wurde ihr ein Paket mit seinen Büchern zugestellt.
De Winter hatte sich in einem Hotel in Menton einquartiert. Dort wollte er einen Roman über seine Ehe mit der Schriftstellerin Jessica Durlacher schreiben, die nach fast zwanzig Jahren in die Brüche gegangen war. (»Ein Ding der Unmöglichkeit, so eine Schriftstellerehe«, sagte er zu Sonja, »ich hoffe, du schreibst nicht.«) Aber als Sonja nach zwei Wochen seines verbalen Eroberungskrieges in seinem Hotelzimmer aus ihrem hautengen Kleid stieg und ihm zu tun erlaubte, worauf er seit Wochen fieberhaft hingearbeitet hatte, wie er bekannte, gab er den Gedanken an den Roman auf. Was das betraf, war er schwach und vollkommen durchsichtig – er war jetzt mit anderen Dingen beschäftigt. Einerseits fand Sonja es lasch, dass er das Romanvorhaben so leicht begrub (»Jessica arbeitet auch an einem Buch, und ich schätze, sie ist schneller«, sagte er über die Frau, die ihn wegen eines reichen
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