Ein gutes Herz (German Edition)
aus jeweils achtzehn Zeichen, die er auswendig gelernt hatte –, konnte man sie nicht lesen.
Sallie las: »Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen, des Ewigen, des Herrn aller Weltenbewohner, des Beschützers, des Schöpfers, des Vergelters, des Erhabenen, des Lebensspendenden, des Allesumfassenden, des Einen, des Liebevollen, des Sehers, des Ersten und des Letzten, des Wohltätigen, seid gegrüßt, Bruder Abu Khaled.
Ich habe Eure Nachricht erhalten, und mein Herz singt vor Freude.«
Zur Fußballmannschaft gehörten achtzehn Spieler, aber das Geheimteam bestand aus elf Mann. Keiner hatte einen Abschiedsbrief geschrieben, es handelte sich nicht um ein Selbstmordkommando. Sie wollten alle überleben und den Kampf weiterführen. In Osdorp würden sie nie mehr Fußball spielen, aber sie würden wenigstens als Mannschaft zusammenbleiben. Wenn alles gutging.
Er las den Brief von MB und schickte ihn per verschlüsselter E-Mail an Abu Khaled weiter, den durch Zentralasien ziehenden Syrer, mit dem er über die Belgier in Kontakt getreten war. Erst wenn das Flugzeug eine Höhe von zehntausend Metern erreicht hatte, würde man ihnen das genaue Ziel ihrer Reise durchgeben. Wo sie landen würden, gab es keine Kunstrasenplätze mit Flutlicht, das Regenschleier sichtbar machte. Überall in den Niederlanden erleuchteten Halogen-Metalldampflampen die Stadien. Sie würden dann auf unebenen, steinigen Sandplätzen spielen. Aber vielleicht konnten sie von dem Geld, das sie auch fordern würden, einen Rasenplatz mit Bewässerungsinstallation anlegen lassen. Oder hatte man dort zu wenig Wasser für einen grünen Fußballplatz?
Er setzte sich aufs Sofa, neben seine inzwischen schlafende Mutter, die seit fast elf Jahren allein ins Bett ging. Wenn Sallie nicht schlafen konnte und wach lag, hörte er sie manchmal weinen. Oder weinte sie im Traum? Machte das einen Unterschied? Er ließ minutenlang den Blick auf ihr ruhen. Sie war eine schöne südländische Frau mit kräftiger Nase und hennaroten Haaren. Außer Haus trug sie immer ein Kopftuch und einen langen Mantel, der bis auf den Boden reichte. Sie konnte nicht lesen. Sie war bitter einsam, und das war sie auch schon gewesen, als sein Vater noch nicht im Gefängnis saß. Der blieb nachts oft weg, weil er angeblich arbeiten musste. Aber er hatte Freundinnen. Als Sallie die Hand seiner Mutter nahm und einen Kuss darauf drückte, wurde sie wach.
»Sallie«, sagte sie.
Sie wusste nicht, dass dies wohl eines der letzten Male war, da sie ihn sah, und es zerriss ihn fast vor Schuldgefühlen und Mitleid, aber seine Entscheidung stand fest.
Sie wärmte ihm das Essen auf, und er aß, über seinen Teller gebeugt, an dem kleinen Küchentisch, während er sich ihren Klatsch über irgendwelche entfernten Angehörigen anhörte, die in dem Land geblieben waren, das sie verlassen hatte.
Mitten in der Nacht wurde er wach. Leise, mit behutsamen Bewegungen, schälte er das Geschenk von seinem Vater aus dem Packpapier. Eine solide Holzkiste kam zutage. Darin lag eine MP7 .
Welche Botschaft schickte ihm sein Vater damit? Dass er sich bewaffnen sollte? Sein Vater hatte keine Ahnung, was sein Sohn vorbereitete, und daher konnte diese Waffe nur eines bedeuten: Du bist jetzt erwachsen, ich werde bald sterben, und nun ist es an dir, die Familienehre zu verteidigen.
Sein Vater wusste nicht, dass Sallie die Ehre aller marokkanischen Familien verteidigen würde. Als die Belgier von Waffen redeten und ihn fragten, was er haben wollte, hatte er um die MP 7 gebeten, genau das Modell, das sein Vater bei sich gehabt hatte, als das Sonderkommando ihn überwältigte wie ein Tier. Aber eine MP7 konnten sie nicht liefern.
Auf der Website von Heckler & Koch hatte er gelesen: »Kleiner als herkömmliche Maschinenpistolen, ist die MP 7 A1 kompakt und leicht und kann als echte persönliche Verteidigungswaffe permanent am Mann getragen werden. Im Kalibervergleich übertrifft die 4,6 mm x 30 Patrone die standardisierte 9 mm x 19 Patrone an Durchschlagskraft und Zielwirkung um ein Vielfaches. Sie ist in der Lage, den häufig von Terroristen und kriminellen Banden benutzten Körperschutz zu durchschlagen, wie auch insbesondere den der Spezialeinheiten der ehemaligen Sowjetunion, die der NATO heute als Testziele dienen.«
Die Waffe wurde gegen Terroristen eingesetzt. Demnächst würde Sallie selbst als Terrorist bezeichnet werden. Es war ein Ehrentitel.
7
THEO…
…hatte Jimmy, seinen
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