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Ein gutes Herz (German Edition)

Ein gutes Herz (German Edition)

Titel: Ein gutes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon de Winter
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Kumpel«, sagte Sallie.
    »Erhalte sie dir.«
    Sallie nickte.
    »Dein Vater fragt sich, warum du nie kommst.«
    Sallie schaute sich unruhig um. »Woher kennst du ihn?«
    »Was glaubst du?«
    »Aus dem Knast?«
    »Vier Jahre. Er ist mein Bruder«, sagte Ziri.
    »Wann bist du rausgekommen?«
    »Vor fünf Tagen.«
    »Durftest du im Knast nicht rauchen?«
    »Doch, schon. Wurde aber reglementiert. Ich rauche jetzt mal eine Weile drauflos, das krieg ich dann schon wieder in den Griff. Warum gehst du nicht zu ihm? Schon seit sechs Jahren nicht? Er ist dein Vater.«
    »Ich will nicht«, erklärte Sallie.
    »Ja, offensichtlich. Aber er ist dein Vater. Du bist sein einziger Sohn. Du solltest deinen Vater besuchen, und wenn’s nur zweimal im Jahr ist. Das ist deine Pflicht.«
    »Er hat uns verraten«, sagte Sallie.
    »Verraten?«
    »Er hat es mit holländischen Weibern getrieben. Huren. Er hat Alkohol getrunken. Er hat gekokst.«
    »Das geht dich nichts an. Er ist dein Vater«, unterstrich Ziri, Sallie fixierend.
    »Das geht mich wohl was an«, entgegnete Sallie unerschrocken.
    »Er ist dein Vater«, wiederholte Ziri ärgerlich. »Es steht dir nicht zu, ihn zu kritisieren. Er hat für euch gesorgt. Er sorgt immer noch für euch. Jeden Monat wird deiner Mutter ein Kuvert gebracht. Sogar von dort aus, wo er jetzt ist, sorgt er für seine Familie. Kritik? Nein, keine Kritik. Du bist sein Sohn.«
    Das Kuvert wurde von unterschiedlichen Leuten überbracht, seit Jahren, und Sallie war den Kurieren manchmal gefolgt, weil er wissen wollte, von wem das Geld stammte, aber er hatte sie immer aus den Augen verloren. Jetzt interessierte es ihn nicht mehr. Es kam also von seinem Vater, der offenbar rechtzeitig viel Bargeld an einem sicheren Ort verstecken konnte, bevor er von einem Spezialkommando der Polizei aus seinem Wagen gezerrt und verhaftet worden war.
    Im Kofferraum hatte die Polizei eine Heckler & Koch MP7 gefunden, eine Maschinenpistole, deren Patronen durch CRISAT -Westen drangen. » CRISAT « hatte Sallie damals recherchiert. Das waren professionelle kugelsichere Westen aus zwanzig Schichten Kevlar auf einer Titanplatte. Die MP7 wurde für den militärischen Nahkampf entwickelt. Mit dieser Waffe waren zwei Männer aus der Unterwelt ermordet worden.
    Sallies Vater, Kicham Ouaziz, war ein Profikiller.
    »Ich gehe nicht«, sagte Sallie entschieden.
    »Er ist dein Vater. Du musst.«
    »Ich erkenne ihn nicht an.«
    Sallie sah, dass Ziri an sich halten musste. Er nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. Während er sprach, quoll der Rauch aus seinem Mund. »Ich möchte nicht, dass dir das irgendwann leidtut.«
    »Es wird mir nicht leidtun.«
    »Geh zu ihm.«
    »Ich hasse ihn.«
    Ziri schüttelte den Kopf und schaute sich um, als studiere er misstrauisch die Umgebung. Aber er brauchte ein paar Sekunden, um seine Beherrschung wiederzufinden, und dabei sah er Sallie lieber nicht an.
    »Gut. Es ist dein Leben. Komisch. Bist du Marokkaner? Wie kannst du so über deinen Vater denken?«
    »Er ist Holländer geworden«, sagte Sallie kühl.
    »Man muss das im Zusammenhang sehen, Junge. Das gilt auch für das, was dein Vater getan hat. Man darf das nicht losgelöst sehen. Aber gut. Ich werde es ihm ausrichten. In deinem Auto liegt ein Päckchen. Du hattest die Tür nicht abgeschlossen. Sieh selber. Aber falls du es dir anders überlegen solltest… Warte nicht zu lange. Er hat Krebs. Sie haben ihm noch fünf Monate gegeben.«
    Ziri trat seine Kippe aus und ging grußlos davon, an dem alten Golf vorbei zum anderen Ende des Parkplatzes, wo in einer dunklen, unbeleuchteten Ecke die Umrisse eines neuen BMWS zu erkennen waren.
    Sallie ließ seine Sporttasche fallen, hakte die Finger in das Gittergeflecht des Zaunes und weinte mit gesenktem Kopf. Dann wischte er sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen und stieg in sein Auto.
    Ohne das Päckchen zu öffnen – ein länglicher Karton in braunem Packpapier, der den ganzen Rücksitz einnahm –, startete er den Golf und fuhr nach Hause.
    Sie hatten eine Vierzimmerwohnung. Seine Mutter saß im Wohnzimmer und schaute sich eine arabisch synchronisierte türkische Soap im Fernsehen an. Seine Schwester war in ihrem Zimmer.
    Er machte seinen Laptop an und tippte die Buchstaben und Ziffern ein, die ihn zu dem geheimen Ort im Cyberspace brachten. Dort wurden die Nachrichten ausgetauscht, die sein Leben verändern sollten.
    Wenn man nicht über die kodierten Schlüssel verfügte – drei Schlüssel

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