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Ein gutes Herz (German Edition)

Ein gutes Herz (German Edition)

Titel: Ein gutes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon de Winter
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Verstraete war einer der erfolgreichsten und dubiosesten Projektentwickler der Niederlande gewesen und 1997, als Sonja noch mit Kohn zusammen war, spurlos von der Bildfläche verschwunden. De Winter erinnerte sich an die damaligen Zeitungsartikel und hätte von Sonja gerne Einzelheiten erfahren. Darin steckte Stoff für seine Bücher. Doch es war verboten. Sie ließ es nicht zu. Und er fand sich damit ab.
    Dagegen erzählte sie ganz freimütig von David de Vries, dem Freund, den sie wegen Kohn verlassen hatte. Als ebendieser David de Vries ihn eines Tages anrief, war de Winter einigermaßen überrascht.
    »Hier David de Vries, Redakteur der Nieuwe Revu. Ich würde gerne ein paar Fragen an Sie richten, Herr de Winter.«
    »Waren Sie nicht beim NRC Handelsblad ?«
    »Da bin ich schon seit Jahren nicht mehr«, antwortete de Vries.
    »Ach, das ist mir neu. Was möchten Sie denn fragen?«
    »Wir bereiten eine Artikelserie über Menschen mit außergewöhnlichen Hobbys vor und würden uns freuen, wenn wir Sie dazu interviewen dürften.«
    »Das dürfen Sie gerne… Ich habe allerdings keines. Mit Hobby meinen Sie doch so was wie Segeln oder Briefmarkensammeln, nicht?«
    »Ich interessiere mich für Ihre Sammelleidenschaft in puncto Stacheldraht.«
    »Stacheldraht? Wie meinen Sie das?«
    »Sie sammeln doch Stacheldraht, oder?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Das habe ich aus einem Interview mit Theo van Gogh in Erinnerung.«
    »Ich hatte nie ein Interview mit Theo van Gogh«, sagte de Winter leicht gereizt.
    »Nein, ich meine ein Interview, das das Fernsehen mit Theo van Gogh gemacht hat. Darin sagte er, dass Sie Stacheldrahtstückchen aus Konzentrationslagern sammeln.«
    De Winter brauchte mehrere Sekunden, um zu begreifen, was der Journalist da gerade gesagt hatte, und sich nicht sofort von Traurigkeit überwältigen zu lassen. Er hätte sich von den Niederlanden fernhalten und als Exilant in Amerika oder Frankreich für solche abstrusen Journalistenfragen unerreichbar bleiben sollen.
    »In welcher Sendung war das?«
    »Das war in einer Interviewreihe vor etwa zehn Jahren. Das schwarze Schaf hieß die Sendung. Darin wurden umstrittene Niederländer mit einer Handvoll Kritikern konfrontiert. Haben Sie das nie gesehen?«
    »Nein.«
    »Pflegen Sie dieses Hobby?«
    »Sind Sie wahnsinnig?«
    »Es soll ja Menschen mit recht absonderlichen Hobbys geben.«
    »Und van Gogh hat das von mir behauptet?«
    »Ja. Sehr entschieden.«
    »Könnte ich mir das mal ansehen?«
    »Sie finden die ganze Sendung mit van Gogh im Internet. YouTube. Teil fünf, ziemlich am Anfang.«
    Wie schon gesagt, wurde in Das schwarze Schaf ein national bekannter Gast mit mehreren Kritikern konfrontiert. Gesendet wurde aus einem Studio, mit Publikum. Die Leute, die etwas am Hauptgast zu kritisieren hatten, saßen in der ersten Reihe. Eine Moderatorin leitete die Diskussion, bat die Kritiker um ihre Kommentare und bot dem Hauptgast die Möglichkeit, darauf einzugehen.
    De Winter hatte kaum Anlass gehabt, ein Fan von Theo van Gogh zu werden. Während der Utrechter Filmtage 1984, de Winter war damals dreißig, feuerte der drei Jahre jüngere van Gogh die erste Breitseite auf ihn ab. Van Gogh stellte dort seinen neuen Spielfilm Ein Tag am Strand vor, nachdem er schon 1982 mit Luger sein Regiedebüt gemacht hatte, einem Spielfilm über einen Psychopathen, der ein schwachsinniges Mädchen entführt. Der Film zeichnete sich vor allem durch ins Bild gesetzte Grausamkeiten aus. Ein junges Kätzchen wurde in der Waschmaschine durchgedreht, der Psychopath schob den Lauf einer Pistole in die Vagina einer alten Frau. Luger war kein unterhaltsamer Film für die ganze Familie.
    De Winter war in einer Talkshow im niederländischen Fernsehen zu Gast gewesen, um über seinen Roman La Place de la Bastille zu sprechen, der von Rudolf van den Berg verfilmt worden war. Ein Roman, in dem es um Juden und den Holocaust ging und dessen Hauptfigur ein Jude war. Van Gogh nahm Anstoß an diesem Gespräch – oder sah darin eine willkommene Gelegenheit, sich mit einem Beitrag in einem Filmblatt bei den Filmtagen in Szene zu setzen.
    Er schwang sich zum Verteidiger eines sauberen, pietätvollen Umgangs mit dem Gedenken an die im Holocaust ermordeten Juden auf und warf de Winter vor, mit seinen Geschichten, in denen der Holocaust eine Rolle spielte, seine jüdische Identität »auszuschlachten«. Dabei brachte van Gogh es fertig, in seinem Artikel schlechte Witze einzustreuen wie: »Es riecht

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