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Ein gutes Herz (German Edition)

Ein gutes Herz (German Edition)

Titel: Ein gutes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon de Winter
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davon?«
    »Alle, die in Schiphol betroffen sind. Sie werden Flüge annullieren müssen, das geht nicht anders. Und das Kabinett ist informiert.«
    »Ein betrunkener Urlauber«, sagte Cohen. »Tu, was du tun musst, Bernard.«
    Welten nickte und verließ den Büstensaal. Van Ast ließ sich Cohen gegenüber auf einen Stuhl sinken.
    »Ich habe meine Frau angerufen«, sagte er. »Sie weiß, dass ich wohl nicht vor morgen früh zu Hause sein werde.«
    Van Ast rührte ihn. Ein farbloser, unscheinbarer Mann, dieser van Ast. Aber loyal wie die Pest.
    »Wenn du die Listen von Toten und Verletzten siehst«, sagte Cohen, »achte bitte auf den Namen Marijke Hogeveld. Lass es mich sofort wissen, wenn du diesen Namen siehst. Van Ast, das braucht niemand zu wissen. Aber sag mir sofort Bescheid, ja?«

14
    THEO
    Auf der Erde wurde die Vorhölle – beziehungsweise die unfreundliche Kaserne, in der sich Theo trotz des mangelnden Komforts inzwischen zu Hause fühlte – oder, anders ausgedrückt, »die Aufnahme« von Fachleuten als Übergangsbereich für zwei Kategorien von Toten definiert. Nicht, dass das für ihn von irgendeiner Bedeutung gewesen wäre. Hier wurde nicht über Religion gesprochen. Kein Wort über Jesus oder Allah, jedenfalls nicht von oben. Das musste jeder selbst wissen. Was aber nicht heißen sollte, dass das hier ein Sauhaufen war.
    Es herrschte Ordnung.
    Was Theo verstanden hatte, war Folgendes: Zuallererst war dieser Bereich, so die christlichen Kirchenväter auf Erden, für Menschen bestimmt, die ein hochmoralisches Leben geführt, aber das Pech gehabt hatten zu sterben, bevor Jesus wiederauferstanden war; das betraf also alle Gutmenschen, die vor dem Jahr 33 A. D. auf der Erde gestanden hatten. Die katholische Kirche hatte für sie einen Limbus patrum geschaffen. Dann gab es einen Bezirk namens Limbus puerorum . Der war für Kinder bestimmt, die nicht oder noch nicht getauft – und somit von der Erbsünde erlöst –, aber unschuldig gestorben waren.
    Theo begegnete hier nie Toten aus anderen Glaubenskulturen. Die hatten offenbar ihre eigenen Systeme. Hierher kamen Menschen, die auf der Erde in einem jüdisch-christlichen Umfeld aufgewachsen waren und anschließend, wenn das Blut in ihren Adern zum Stillstand gekommen war, in den Projektionen und Vorstellungen von ihrer irdischen Existenz weiterexistierten. Mit anderen Worten, die Bilder von einem Leben nach dem Tod, die er sich zeitlebens ausgemalt hatte, waren mit ihm transzendiert und Wirklichkeit geworden. Er war antichristlich, antipäpstlich gewesen, und doch lebte er jetzt in einer Umgebung, einer kosmischen Variante, die fundamental christlich war.
    Es war offensichtlich, dass Theo weder in den erst- noch den zweitgenannten Himmelsbezirk gehörte. Er war einer Gruppe von Sterblichen zuzurechnen, die die Kirchenväter entweder nicht für möglich gehalten hatten oder gar nicht berücksichtigen wollten. Hybriden wie Theo – nicht schlecht genug, nicht gut genug – ließen sich nicht so leicht unterbringen. Nihilisten, die zwar von den Errungenschaften der Gläubigen und Gutmenschen profitierten, diese aber gerne mit Dreck bewarfen.
    Von Jimmy Davis, seinem Betreuer, wusste er, dass er beim Einchecken Massel gehabt hatte. Theo hatte in der Lobby ein Mordstheater gemacht und anmaßend die Rückkehr ins Leben gefordert. Trotzdem hatte der Mitarbeiter am Empfangsschalter sich Zeit für ihn genommen, und man hatte weitere Schalter geöffnet, um andere Neuankömmlinge registrieren zu können, während Theo sich nicht beruhigen ließ und weiter quengelte und klagte und wetterte und ätzte. Ein weniger geduldiger Mitarbeiter hätte ihn zur Hölle geschickt, meinte Jimmy. Doch der, der am 2.   November 2004 Dienst hatte, ordnete Theo dem Limbus mysteriorum zu. Eine beim Vatikan unbekannte Sphäre, die aber sehr wohl existierte. Theo war der »lebende« Beweis dafür.
    Theo musste feststellen, dass diese Vollidioten auf der Erde den Begriff »Vorhölle« ganz und gar fallenließen. 2006 schlug eine Gruppe von dreißig Theologen Papst Benedikt xv1. vor, die Vorhölle zu streichen. Eine himmelschreiende Arroganz! Und der arme Benedikt gab am 21.   April 2007 offiziell bekannt, dass die Vorhölle für ungetaufte tote Kinder als Idee in die Tonne getreten werden könne.
    Gut, tote Kinder, die unschuldig waren, konnten von Theo aus gleich durchgelassen und ins Paradies aufgenommen werden – Kindern machte es ja wahrscheinlich auch nichts aus, dass der Laden dort

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