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Ein gutes Herz (German Edition)

Ein gutes Herz (German Edition)

Titel: Ein gutes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon de Winter
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dadurch umso mehr.
    Im leeren Sitzungssaal telefonierte er kurz mit seiner Frau und sagte, dass es ihm gutgehe, und er sagte auch, dass ihm zum Heulen zumute sei. Bevor sie auflegte, sagte sie, dass sie ihn liebe, und er sagte das auch zu ihr. Darauf wählte er noch einmal die Nummer von Marijkes Sekretariat; das hatte zwar etwas Obszönes, aber er konnte die Anwandlung nicht unterdrücken. Noch immer nichts.
    Er hatte ein zweites Gespräch mit dem Ministerpräsidenten, und ebenso mit dem Minister für Sicherheit und Justiz. Die Nationale Koordinationsstelle für Terrorabwehr und -schutz hatte keine spezifischen Hinweise gefunden. Die Explosion war inzwischen überall auf der Welt in den Nachrichten. CNN und BBC berichteten, es stand in den Online-Ausgaben aller großen internationalen Zeitungen. Er wollte den UKR gar nicht mehr verlassen. Was er zu erzählen hatte, war eine Geschichte von unfassbarer Traurigkeit und vorgetäuschter Hoffnung.
    Der zweite Bush-Moment kam genauso unerwartet wie der erste. Und auf ihn folgte keine sprachlose Erschütterung, sondern jetzt schwanden ihm die Sinne.
    Cohen hatte gerade den x-ten Plastikbecher bitteren Kaffee in Empfang genommen und saß neben einem Mann, der mit der Räumung der Nordseite des Opernhauses befasst war.
    Da ertönte plötzlich laut die Stimme Weltens: »Einen Augenblick bitte! Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit!«
    Die Heftigkeit und das Volumen der Stimme, worin etwas Hysterisches mitschwang, brachte den UKR binnen zwei Sekunden zum Stillstand. Cohen erhob sich, um Welten sehen zu können. Niemand rührte sich.
    Welten stand an der Eingangstür. Sein Blick sprach Bände. Panik.
    Welten sagte: »Vor fünf Minuten ist in Schiphol ein Flugzeug gekapert worden. Turkish Airlines. Hundertacht Menschen an Bord. Was für ein Tag! Heute bleibt uns nichts erspart. Wird eine lange Nacht, Leute.«
    Cohen ging zu seinem Stuhl zurück und setzte sich. Er drückte das Gesicht mit geschlossenen Augen in die Handflächen, um das Schwanken in seinem Kopf zu stoppen. Es sah aus, als bete er. Hatte er einen Schlaganfall? Er merkte, dass er keuchte. Das gekaperte Flugzeug war keineswegs etwas, was zufällig auch an diesem Tag stattfand. Explosion und Flugzeugentführung hatten miteinander zu tun. Während er sich mit seinen Teams auf die Stopera konzentrierte, hatten sie – es waren immer »sie«, man musste immer mit »denen« rechnen – den nächsten Zug gemacht. Es war keine Gasexplosion. Es war ein Anschlag. Er musste sich beraten. Mit allen. Dem Kabinett. Der NKTS . Es war zu viel. Marijke musste er auch noch finden.
    Es war totenstill im UKR . Als er aufschaute, sah er, dass alle ihn anstarrten, die Gesichter vor Nervosität verzerrt, mit schon fast flehentlichem Blick auf ein Zeichen von ihm wartend. Aber welches Zeichen konnte er geben?
    Welten stand plötzlich neben ihm.
    »Geht es, Job?«
    Der Polizeipräsident sah ihn besorgt an, aufrichtig besorgt. Er brauchte Cohen, Cohen musste ja die politischen Konsequenzen tragen. Cohen wusste, dass Welten denselben Zusammenhang hergestellt hatte wie er selbst. Alle hier im UKR wussten, dass Welten diesen Zusammenhang hergestellt hatte. Und der Bürgermeister ebenfalls.
    »Ich muss telefonieren. Ich muss den Ministerpräsidenten informieren.«
    Er sah, dass van Ast ihm winkte und mit einem Finger nach oben deutete. Er wollte in den Büstensaal.
    Cohen erhob sich und sagte möglichst energisch: »Macht weiter, Jungs. Wir sind mit der Stopera befasst. Schiphol steht auf einem anderen Blatt.«
    Welten fragte: »Brauchst du einen Arzt?«
    »Nein. Ich bin einfach nur müde. Komm bitte mal kurz mit, Bernard.«
    Während sich im UKR wieder alles in Bewegung setzte, ging van Ast ihm voran nach oben. Welten folgte ihnen. Cohen hatte das Gefühl, eine bleischwere Last auf den Schultern zu tragen.
    Er setzte sich an den leeren Sitzungstisch, aber Welten und van Ast blieben stehen und warteten schweigend ab, was er sagen würde.
    Er wollte eigentlich sagen, dass er Angst hatte und die Flugzeugentführung das zweite Kapitel einer Geschichte war, die noch ein drittes Kapitel haben würde. Von Leuten inszeniert, die sie zu ihren hilflosen Spielbällen machten. Dass sich über ihren Köpfen noch mehr zusammenbraute.
    Er fragte Welten: »Was ist über die Entführer bekannt?«
    »Nichts. Wir wissen nicht, ob es wirklich eine Entführung ist. Vielleicht handelt es sich nur um einen betrunkenen Urlauber.«
    »Wer weiß

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