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Ein gutes Jahr für Zwerge?

Ein gutes Jahr für Zwerge?

Titel: Ein gutes Jahr für Zwerge? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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als ein
Melodrama, und der Text stammte von einem griechischen Kellner, der sich
einbildete, ein Libretto für eine italienische Oper zu schreiben. Das größte
Rührstück aller Zeiten! Die verworfene Frau, gefangen in den Maschen ihrer
eigenen Intrigen, beschließt, die ganze schmutzige Wahrheit zu gestehen und die
schrecklichen Konsequenzen auf sich zu nehmen! Die Nutte mit dem Herzen aus
schierem Gold erzählt alles und entschwindet dann im Schnee, um niemals
wiederzukehren !«
    »Wenn Sie fertig sind«, sagte
sie mit heiserer Stimme, »dann werden Sie mir hoffentlich erlauben, ein Taxi zu
rufen! Können Sie auf einen Vierteldollar herausgeben ?«
    »So, wie die ganze Szene
verfaßt ist, besteht Ihre einzige Chance darin, sie richtig durchzuspielen!
Alles herauszuholen, was das zickige Melodrama nicht in sich hat. Das Publikum
dazu zu bringen, die Gänge mit Tränen zu überschwemmen. Und wie haben Sie’s
gespielt? So miserabel, daß ich gar nicht weiß, wo ich mit der Kritik anfangen
soll!«
    »Bitte, versuchen Sie’s nicht«,
sagte sie durch die zusammengebissenen Zähne. »Sonst kann ich mich vielleicht
nicht enthalten, Ihnen eine Flasche über den Schädel zu schlagen !«
    »Aber nein !« sagte ich verzweifelt, »Sie mußten das Ganze ja auf Ihre Weise spielen. Es
genügte nicht, einiges von der Wahrheit zu erzählen — Sie mußten die ganze
Wahrheit sagen und nichts auslassen. Die Szene bedarf nur dessen nicht, was Sie
hineingelegt haben: Dinge wie Aufrichtigkeit, kühler Selbstbeurteilung, Würde
und — vor allem — Mut .«
    »Rick!« Ihre Stimme schwankte
flüchtig. »Haben Sie wirklich gerade das gesagt, was ich zu hören geglaubt habe ?«
    »Wo bleibt also das Callgirl,
wenn es keine Kunden gibt ?« sagte ich
leidenschaftlich. »Und kann ich was dafür — wenn die Person, die ich bewundere,
zufällig eine schöne, ein Meter fünfundachtzig große schwarzhaarige Frau ist —
und wenn ich jetzt gewisse romantische Empfindungen ihr gegenüber habe ?«
    Die Tränen flossen ihr erneut
über die Wangen, obwohl ich sehen konnte, daß sie sich alle erdenkliche Mühe
gab, sie zurückzuhalten. Ich wandte mich von ihr ab und begann, frische Drinks
zu mixen.
    »Stehen Sie nicht wie eine
lebende, atmende Statue da, deren Bewegungsmechanismus defekt ist«, knurrte
ich. »Was man in solchen Augenblicken braucht, ist was zu essen. Im Kühlschrank
ist ein ganzer Hummer, also gehen Sie in die Küche und fangen Sie an, ihn in
handliche Stücke zu schneiden !«
    Ich wartete, bis sie das Zimmer
verlassen hatte; und stählte mich dann innerlich, um das größte persönliche
Opfer meines Lebens zu bringen. Es war ein Werk reiner Kunst. Dafür hatte ich
das feierliche Wort meiner Nachbarin, denn sie war diejenige gewesen, die
sechzehn Stunden damit zugebracht hatte, es zu entwerfen, und anschließend
dreißig Stunden, es zu ihrer Zufriedenheit neu zu ordnen. Es hatte roh
bearbeitete Oberflächen und glatt strukturierte Oberflächen — seltsam geformtes
Treibholz — so ziemlich alles. Ich mußte das Gesicht abwenden, als ich ein
Streichholz an das zerknitterte bunte Papier unter den so kunstvoll errichteten
Holzstoß hielt für den Fall, daß der seelische Druck allzu groß würde. Dann
ergriff ich die frischen Drinks und gesellte mich zu Gloria in der Küche.
    »An Hummer ist irgendwas, was
das Primitive in mir zum Vorschein bringt«, sagte sie, als wir eine halbe
Stunde später ins Wohnzimmer zurückkehrten. »Ich weiß nicht, was es ist, aber jedesmal , wenn ich einen esse, spüre ich förmlich, wie sich
meine Zähne scharf zuspitzen und dann — Rick! Sie haben ein wirkliches
Holzfeuer zuwege gebracht !«
    »Sie kennen mich doch«, sagte
ich bescheiden. »Ich bin eben der unverbesserliche Romantiker !«
    »Und ich sehe, Sie haben diesen
großen, weichen Schafwollteppich vor das Feuer gelegt .« Ihre Mundwinkel verzogen sich leicht nach unten. »Wie rücksichtsvoll!«
    »Ich kann es gar nicht
erwarten, bis es hier drin zu heiß wird«, murmelte ich. »Haben Sie nicht den
Zischlaut gehört, als die Quecksilbersäule des Thermometers um zehn Grad in die
Höhe gefahren ist ?«
    »Oh!« Gloria schlug sich mit
der Hand auf den Mund. »Wie unhöflich von mir! Sie halten mich sicher für ganz
schrecklich, aber ich schwöre Ihnen, ich habe es einfach vergessen !«
    »Was denn, von Ihrem gesunden
Verstand abgesehen ?« erkundigte ich mich.
    »Meine selbsterfundene
Blinddarmnarbe, die Stelle, an der mich das Messer getroffen

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