Ein gutes Omen
ihn in die Lage versetzte,
ein Vermögen zu verdienen. Nun, man könnte sagen, wir sind berufsmäßige
Nachkommen.«
Sie maß Newt
mit durchdringendem Blick. »Bis vor ungefähr zweihundert Jahren begriff
niemand, daß die Freundlichen und Zutreffenden Prophezeiungen Agnes’
Vorstellungen von einem Familienerbe sind. Viele Einträge im Buch betreffen
zukünftige Verwandte und ihr Wohlergehen. Sie wollte sich selbst nach ihrem Tod
um uns kümmern. Nehmen Sie nur die Kings Lynn-Prophezeiung. Mein Vater hielt
sich damals in der Stadt auf, und von Agnes Spinners Standpunkt aus war es
nicht sehr wahrscheinlich, daß er von einer verirrten Kugel aus Dallas
getroffen werden könnte. Sie hielt es für viel wahrscheinlicher, daß ihm ein
Ziegelstein auf den Kopf fiel.«
»Agnes scheint
recht nett gewesen zu sein«, kommentierte Newt. »Wenn man einmal davon absieht,
daß sie ein ganzes Dorf in die Luft jagte.«
Anathema
überhörte diese Bemerkung. »Nun, das wär’s im großen und ganzen«, sagte sie.
»Seit damals sehen wir unsere Aufgabe darin, die Prophezeiungen zu
interpretieren. Es gibt für jeden Monat eine, und inzwischen haben sich die
zeitlichen Abstände verkürzt, weil das Ende der Welt bevorsteht.«
»Ah, wann ist
es soweit?« fragte Newt.
Anathema warf
einen bedeutungsvollen Blick auf die Uhr.
Der
Hexensucher-Gefreite lachte nervös und hoffte, daß er damit weltmännisch und
selbstbewußt klang. Nach den jüngsten Ereignissen fiel es ihm schwer, die
richtige Perspektive für alles Reale und Vertraute zu bewahren. Anders
ausgedrückt: Er zweifelte an seinem Verstand. Außerdem roch er Anathemas
Parfüm, was zusätzliches Unbehagen in ihm weckte.
»Sie können von
Glück sagen, daß ich noch keine Stoppuhr brauche«, sagte die junge Frau. »Uns
bleiben noch fünf oder sechs Stunden.«
Newt dachte
darüber nach. Bisher hatte er nie den Wunsch verspürt, Alkohol zu trinken, aber
irgend etwas teilte ihm mit, daß es für alles ein erstes Mal gab.
»Haben Hexen
eine Hausbar?« fragte er unsicher.
»Oh, ja.«
Anathema lächelte hintergründig. Agnes Spinner mochte so gelächelt haben,
während sie eine mit Damenunterwäsche gefüllte Schublade leerte. »Die Flaschen
enthalten eine grüne, blubbernde Flüssigkeit, und seltsame Dinge schwimmen in
dem öligen Etwas. Sie sollten
das eigentlich wissen.«
»In Ordnung.
Haben Sie Eis?«
Es erwies sich
als Gin. Und es gab auch Eis. Anathema nahm die Hexerei ernst und lehnte
Alkohol im allgemeinen ab, doch in ihrem besonderen Fall machte sie eine
Ausnahme.
»Habe ich Ihnen
schon von dem Tibetaner erzählt, der aus einem Loch in der Straße kletterte?«
fragte Newton und entspannte sich ein wenig.
»Oh, ich weiß
darüber Bescheid«, entgegnete Anathema und blätterte in den Zeitungen auf dem
Tisch. »Zwei von ihnen gruben sich gestern aus meinem Rasen. Die armen Kerle
waren ziemlich verwirrt, und deshalb bot ich ihnen eine Tasse Tee an.
Anschließend liehen sie sich einen Spaten und kehrten ins Loch zurück. Komisch.
Ich glaube, sie wußten nicht so recht, wie sie hierherkamen.«
Newt fühlte
sich ein wenig in seinem Entdeckerstolz verletzt. »Woraus schlossen Sie, daß es
Tibetaner waren?« fragte er.
»Da wir gerade
dabei sind: Wieso haben Sie sofort auf Tibet getippt, hm? Ertönte ein lautes Ommmmm, als Sie den Mann anfuhren?«
»Nun, er …
er sah wie ein Tibetaner aus«, sagte Newt. »Safrangelbe Robe, kahler Kopf und
so … Ganz und gar tibetanisch. «
»Einer meiner beiden Besucher sprach ziemlich gutes Englisch. Er
meinte, er habe Radios in Lhasa repariert, und von einem Augenblick zum anderen
fand er sich in einem Tunnel wieder. Tja, er bat mich darum, ihm den Weg nach
Hause zu zeigen.«
»Warum haben
Sie ihn nicht zur Straße geschickt?« brummte Newt. »Dann hätte er an Bord eines
UFOs gehen und nach Hause fliegen können.«
»Drei Aliens?
Einer von ihnen ein kleiner Roboter, der dauernd umfällt?«
»Sind sie auch
in Ihrem Garten gelandet?«
»Nach den
jüngsten Meldungen zu urteilen scheint mein Garten der einzige Ort zu sein, den
die Außerirdischen meiden«, verkündete Anathema. »Sie besuchen alle Nationen
der Erde und verkünden eine ebenso knappe wie banale Botschaft. Wenn die Leute
dann ›Ja, und?‹ sagen, zucken sie nur mit den Schultern oder was weiß ich und
starten wieder. Zeichen und Omen, so heißt es Im Buch.«
»Wollen Sie
behaupten, Agnes habe auch die fliegende Untertasse prophezeit?«
Anathemas
Finger tasteten über
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