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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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erschreckenden – Tonfall ausgesprochen; einer Bitterkeit, die mich daran erinnerte, dass »Sassenach« im normalen Gebrauch alles andere als eine freundschaftliche Bezeichnung war.
    »Warum nennst du ihn so?«, fragte ich neugierig. »Und was genau hat er mit dem Seitenhieb mit der ›ehrenvollen Narbe‹ gemeint?«
    Er fixierte den Boden und antwortete zunächst nicht, obwohl die steifen Finger seiner rechten Hand lautlos gegen seinen Oberschenkel trommelten.
    »Tom Christie ist ein zuverlässiger Mensch«, sagte er schließlich. »Aber bei Gott, er ist ein halsstarriger kleiner Schurke!« Dann blickte er auf und lächelte mich ein wenig reumütig an.
    »Acht Jahre lang hat er eine Zelle mit vierzig Männern geteilt, die Gälisch sprachen – und sich nicht ein einziges Mal dazu herabgelassen, ein Wort einer solchen Barbarenzunge über die Lippen zu bringen! Himmel, nein. Er hat Englisch gesprochen, ganz gleich, wen er vor sich hatte, und wenn es ein Mann war, der kein Englisch konnte, nun, dann stand er eben da, stumm wie ein Felsbrocken, bis jemand des Weges kam, der für ihn übersetzen konnte.«
    »Jemand wie du?«
    »Hin und wieder.« Er sah zum Fenster, als wollte er noch einen Blick auf Christie werfen, doch die Nacht war jetzt hereingebrochen, und die Fensterscheiben warfen nur ein dumpfes Spiegelbild des Sprechzimmers zurück, und unsere Gestalten erschienen wie Geister auf dem Glas.
    »Roger sagt, Kenny Lindsay hätte etwas von Mr. Christies … Dünkel erwähnt«, sagte ich vorsichtig.
    Jamie sah mich scharf an.
    »Oh, hat er das, ja? Dann sind Roger Mac wohl Zweifel an der Klugheit seiner Entscheidung gekommen, Christie als Pächter anzunehmen. Davon hätte Kenny ungefragt nichts gesagt.«
    Ich hatte mich mehr oder weniger an die Geschwindigkeit seiner Schlussfolgerungen und die Richtigkeit seiner Beobachtungen gewöhnt und stellte auch diese nicht in Frage.

    »Davon hast du mir nie etwas erzählt«, sagte ich und trat vor ihn. Ich legte ihm meine Hände auf die Brust und blickte in sein Gesicht auf.
    Er legte seine Hände über die meinen und seufzte so tief, dass ich spüren konnte, wie sich seine Brust bewegte. Dann schlang er die Arme um mich und zog mich an sich, so dass mein Gesicht den warmen Stoff seines Hemdes berührte.
    »Aye, nun ja. Eigentlich war es ja auch nicht wichtig.«
    »Und vielleicht wolltest du nicht an Ardsmuir denken?«
    »Nein«, sagte er leise. »Ich habe genug von der Vergangenheit.«
    Meine Hände ruhten jetzt auf seinem Rücken, und ich begriff plötzlich, was Christie wahrscheinlich gemeint hatte. Ich konnte den Verlauf seiner Narben durch den Leinenstoff so deutlich unter meinen Fingerspitzen spüren wie die Schnüre eines Fischernetzes, das über seine Haut gebreitet war.
    »Ehrenvolle Narben!«, sagte ich und hob den Kopf. »Oh, dieser Schurke ! Ist es das, was er gemeint hat?«
    Jamie lächelte ein wenig über meine Entrüstung. »Aye, das ist es«, sagte er trocken. »Das ist der Grund, warum er mich Mac Dubh genannt hat – um mich an Ardsmuir zu erinnern, damit kein Zweifel blieb, was er meinte. Er hat gesehen, wie ich dort ausgepeitscht worden bin.«
    »Das – das -« Ich war so wütend, dass ich kaum sprechen konnte. »Ich wünschte, ich hätte ihm seine verdammt Hand an den Eiern festgenäht!«
    »Und das von einer Ärztin, die geschworen hat, niemandem Schaden zuzufügen? Ich bin zutiefst schockiert, Sassenach!«
    Jetzt lachte er, doch ich fand das überhaupt nicht lustig.
    »Der verflixte kleine Feigling! Er kann kein Blut sehen, wusstest du das?«
    »Nun ja, aye, das wusste ich. Man kann nicht drei Jahre lang mit einem Mann auf Tuchfühlung leben, ohne alles Mögliche über ihn zu erfahren, das man gar nicht wissen will, schon gar nicht so etwas.« Er war wieder etwas ernster geworden, obwohl in seinem Mundwinkel noch eine Spur von Ironie lauerte. »Als sie mich vom Auspeitschen zurückbrachten, ist er leichenblass geworden, hat in eine Ecke gekotzt und sich dann mit dem Gesicht zur Wand hingelegt. Eigentlich habe ich nicht auf ihn geachtet, aber ich erinnere mich, dass ich das ein bisschen unpassend fand; ich war schließlich derjenige, der überall blutete, warum benahm er sich also wie ein Mädchen?«
    Ich prustete.
    »Darüber solltest du keine Witze machen! Wie konnte er das wagen! Und was meint er überhaupt damit – ich weiß, was in Ardsmuir geschehen ist, und das sind doch – ich meine, das sind doch zweifellos ehrenvolle Narben, und alle, die

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