Ein Hauch von Schnee und Asche
gegenseitig keine Vorwürfe machen, aye?« Sie stimmte ihm mit einem leisen Geräusch zu. Schön und gut; es war aber nicht zu verhindern, dass er sich selbst Vorwürfe machte.
Die Tatsachen lagen auf der Hand; sie war nach einer Nacht mit Jemmy schwanger geworden – ob von ihm oder Stephen Bonnet, wusste niemand, aber ein Mal hatte gereicht. Wohingegen sie es seit mehreren Monaten versuchten, und Jem sah mehr und mehr nach einem Einzelkind aus. Vielleicht war der Funke bei ihm erloschen, wie Mrs. Bug und ihre Klatschbasen vermuteten.
Wer ist dein Papa? , hallte es ihm spöttisch durch den Kopf – mit irischem Akzent.
Er hustete heftig und legte sich wieder zurück, entschlossen, über diese Kleinigkeit nicht nachzugrübeln.
»Nun, mir tut es auch Leid«, sagte er und wechselte das Thema. »Vielleicht hast du ja Recht, und ich benehme mich wirklich so, als wäre es mir lieber, wenn du kochst und putzt als mit deinem Chemiebaukasten herumzuexperimentieren.
»Das wäre es ja auch«, sagte sie ohne Bitterkeit.
»Das Nicht-Kochen stört mich weniger als die Tatsache, dass du alles in Brand setzt.«
»Nun, dann wird dir das nächste Projekt gefallen«, sagte sie und liebkoste seine Schulter. »Es hat fast nur mit Wasser zu tun …«
»Oh … gut«, sagte er, obwohl er den Argwohn in seiner Stimme selbst hören konnte. »Fast?«
»Oh, ein paar Erdarbeiten sind noch dabei.«
»Nichts Brennbares?«
»Nur Holz. Ein bisschen. Keine große Sache.«
Sie fuhr langsam mit den Fingern über seine Brust. Er fing ihre Hand und küsste sie auf die Fingerspitzen; sie waren glatt, aber hart, Schwielen von
der ständigen Spinnarbeit, mit der sie dafür sorgte, dass sie etwas zum Anziehen hatten.
»Wem ein tugendsam Weib beschert ist« , zitierte er. »Sie macht sich selbst Decken; feine Leinwand und Purpur ist ihr Kleid.«
»Ich hätte liebend gern eine Pflanzenfarbe, mit der man richtiges Purpur hinbekommt«, sagte sie sehnsüchtig. »Ich vermisse die kräftigen Farben. Kannst du dich noch an das Kleid erinnern, das ich bei der Mondlandungsparty anhatte? Das schwarze, mit den knallrosa und hellgrünen Streifen?«
»Das war ziemlich unvergesslich, ja.« Im Stillen fand er, dass ihr die gedämpften Farben des selbst gesponnenen Tuchs viel besser standen; in ihren Röcken in Rost und Braun und Oberteilen in Grau und Grün sah sie aus wie eine wunderschöne exotische Flechte.
Von einem plötzlichen Verlangen ergriffen, sie zu sehen, streckte er die Hand aus und tastete auf dem Tisch neben dem Bett herum. Die kleine Schachtel lag noch genau dort, wohin Brianna sie geworfen hatte, als sie zurückkamen. Sie hatte sie schließlich so konstruiert, dass man sie im Dunklen benutzen konnte; eine Drehung des Deckels gab eines der kleinen, gewachsten Hölzchen preis, und der kleine angeraute Metallstreifen, der an der Seite klebte, fühlte sich kühl an.
Ein Skritsch , bei dessen schlichter Vertrautheit ihm das Herz aufging, und mit einem Hauch von Schwefelgeruch erschien ein Flämmchen – Zauberei.
»Verschwende sie nicht«, sagte sie, lächelte aber trotz ihres Einwandes, denn der Anblick freute sie noch genauso wie zuvor, als sie ihm zum ersten Mal gezeigt hatte, was sie zuwege gebracht hatte.
Ihr Haar war lose und sauber, frisch gewaschen; es hing ihr schimmernd über die hellen Schultern und lag in Wolken auf seiner Brust, Zimt und Bernstein, rötlich grau und golden, von der Flamme erweckt.
»Sie fürchtet für ihr Haus nicht den Schnee; denn ihr ganzes Haus hat zwiefache Kleider« , sagte er leise. Er legte die freie Hand um sie, wickelte eine Locke um seinen Finger und drehte die dünne Strähne, wie er es bei ihr beobachtet hatte, wenn sie Garn spann.
Ihre Augenlider schlossen sich halb, wie die einer Katze, die sich sonnte, doch das Lächeln verweilte auf ihrem breiten, sanften Mund – diesen Lippen, die erst verletzten, dann heilten. Das Licht glühte auf ihrer Haut und tauchte das winzige Muttermal unter ihrem rechten Ohr in Bronze. Er hätte sie ewig weiter ansehen können, doch das Streichholz war fast heruntergebrannt. Just bevor die Flamme seine Finger berührte, beugte sie sich vor und blies sie aus.
Und in der von Rauch durchzogenen Dunkelheit flüsterte sie ihm zu: » Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen, und Nahrung wird ihm nicht mangeln. Sie tut ihm Liebes und kein Leides ihr Leben lang. Na bitte.«
22
Verhext
Tom Christie kam nicht zum Behandlungszimmer zurück, doch er schickte mir seine
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