Ein Hauch von Schnee und Asche
sich für die Passage entschieden hatte, in der die Makkabäer freiwillig dem Heidenkönig ihre Hände und Zungen hinstreckten, damit er sie abnahm.
Ein Blick über seine Schulter sagte mir jedoch, dass er sich irgendwo in den Psalmen befand.
»Wann immer Ihr so weit seid, Mistress, Fraser«, sagte Christie höflich.
Wenn er bei Bewusstsein sein würde, bedurfte es einiger zusätzlicher Vorbereitungen. Mannhafte Tapferkeit war ja eine schöne Sache, und dasselbe galt für biblische Inspiration – doch nur relativ wenige Menschen können reglos dasitzen, während ihnen jemand in die Hand säbelt, und ich glaubte nicht, dass Thomas Christie einer von ihnen war.
Ich hatte einen großen Vorrat an Leinenstreifen, die mir als Verbandsmaterial dienten. Ich krempelte seinen Ärmel auf und band dann seinen Unterarm mit einigen der Bandagen fest an den Tisch. Ein zusätzlicher Streifen hielt die Klauenfinger von der Operationsstelle fern.
Obwohl Christie sich ziemlich schockiert über die Vorstellung zeigte, Alkohol zu trinken, während er die Bibel las, hatte Jamie – und vielleicht ja auch der Anblick der wartenden Skalpelle – ihn überzeugt, dass die Umstände es rechtfertigten. Bis ich ihn richtig gesichert und seine Handfläche gründlich mit Rohalkohol gereinigt hatte, hatte er einiges intus und sah bedeutend entspannter aus als beim Betreten des Zimmers.
Diese entspannte Ausstrahlung verschwand abrupt, als ich den ersten Schnitt setzte.
Sein Atem entfuhr ihm als schrilles Keuchen, und er bäumte sich auf dem Stuhl auf und riss den Tisch quietschend über den Fußboden. Ich ergriff sein Handgelenk, bevor er die Bandagen abreißen konnte, und Jamie packte ihn an beiden Schultern und drückte ihn auf den Stuhl.
»Ganz ruhig, ganz ruhig«, sagte Jamie und drückte fest zu. »Ihr macht das schon, Tom. Aye, Ihr macht das schon.«
Der Schweiß war Christie im Gesicht ausgebrochen, und er hatte die Augen hinter den Gläsern seiner Brille weit aufgerissen. Er schluckte, warf einen raschen Blick auf seine Hand, von der Blut aufquoll, wurde leichenblass und wandte den Blick hastig ab.
»Wenn Ihr Euch übergeben müsst, Mr. Christie, bitte hier hinein, ja?«, sagte ich und schob ihm mit dem Fuß einen leeren Eimer hin. Mit einer Hand hielt ich eisern sein Handgelenk fest, die andere drückte einen sterilisierten Mulltupfer fest auf den Einschnitt.
Jamie redete auf ihn ein, als beruhigte er ein verängstigtes Pferd. Christie saß stocksteif da, atmete aber schwer und zitterte an allen Gliedmaßen einschließlich derjenigen, an der ich arbeiten sollte.
»Soll ich aufhören?«, fragte ich Jamie und betrachtete Christie abschätzend. Ich konnte seinen Puls in dem Handgelenk hämmern spüren, das ich festhielt. Er stand nicht unter Schock – noch nicht -, doch es war klar, dass es ihm nicht gut ging.
Jamie schüttelte den Kopf, den Blick auf Christies Gesicht gerichtet.
»Nein. Es wäre doch schade um den ganzen Whisky, aye? Und er wird
das Warten nicht noch einmal durchstehen wollen. Hier, Tom, trinkt noch einen Schluck; das wird Euch gut tun.« Er hielt Christie den Becher an die Lippen, und dieser trank, ohne zu zögern.
Jamie hatte Christies Schultern losgelassen, als dieser ruhiger wurde; jetzt packte er mit einer Hand Christies Unterarm und drückte fest zu. Mit der anderen hob er die Bibel auf, die zu Boden gefallen war, und blätterte sie auf.
»Die Rechte des Herrn ist erhöht« , las er über Christies Schulter hinweg. » Die Rechte des Herrn behält den Sieg. Nun, das passt doch, oder?« Er blickte auf Christie hinab, der sich in sein Schicksal ergeben hatte und die rechte Hand auf seinem Bauch zur Faust geballt hatte.
»Fahrt fort«, sagte Christie mit heiserer Stimme.
»Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke verkündigen« , las Jamie mit leiser, aber fester Stimme weiter. »Der Herr züchtigt mich wohl; aber er gibt mich dem Tode nicht.«
Das schien Christie ermutigend zu finden; seine Atmung verlangsamte sich ein wenig.
Ich hatte keine Zeit, um ihn zu beobachten, und sein Arm war so hart wie ein Stück Holz in Jamies Griff. Dennoch, er fiel jetzt murmelnd in Jamies Vortrag ein und betete hier und dort ein paar Worte mit.
»… Tut auf die Tore der Gerechtigkeit … ich danke dir, dass du mich demütigst und hilfst mir …«
Ich hatte die Aponeurose freigelegt und konnte die Verdickung deutlich sehen. Eine winzige Bewegung des Skalpells löste ihren Rand, dann ein brutaler
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