Ein Hauch von Schnee und Asche
Schnitt durch das Band aus Fasern … das Skalpell traf einen Knochen, und Christie keuchte auf.
»Der Herr ist Gott, der uns erleuchtet. Schmücket das Fest mit Maien bis an die Hörner des Altars.« Ich konnte einen Hauch von Belustigung in Jamies Stimme hören, als er diese Stelle vorlas, und spürte seine Bewegung, als er mich ansah.
Es sah wirklich so aus, als hätte ich ein Opferritual vollzogen; Hände bluten nicht so stark wie Kopfverletzungen, doch die Handfläche ist von zahllosen kleinen Blutgefäßen durchzogen, und ich tupfte hastig mit der einen Hand das Blut auf, während ich mit der anderen arbeitete; Tisch und Boden waren mit benutzten, blutigen Tupfern übersät.
Jamie blätterte hin und her und suchte sich da und dort Schriftpassagen aus, doch Christie war jetzt ganz auf ihn konzentriert und sprach die Worte gemeinsam mit ihm. Ich warf hastig einen verstohlenen Blick auf ihn; seine Hautfarbe war immer noch ungesund, und sein Puls donnerte, aber seine Atmung war besser. Er sagte die Passagen eindeutig auswendig auf; seine Brillengläser waren beschlagen.
Ich hatte das Gewebe, das die Behinderung hervorrief, jetzt vollständig freigelegt und löste die winzigen Fasern von der Oberfläche der Sehne.
Die verkrümmten Finger zuckten, und die frei liegenden Sehnen bewegten sich plötzlich wie silberne Fische. Ich packte die schwach wackelnden Finger und drückte sie fest.
»Ihr dürft Euch nicht bewegen«, sagte ich. »Ich brauche meine Hände; ich kann Eure nicht festhalten.«
Ich konnte nicht hochsehen, spürte aber sein Nicken und ließ seine Finger los. Ich entfernte die letzten Reste der Aponeurose von den matt glänzenden Sehnen, besprühte die Wunde zur Desinfektion mit einer Mischung aus Alkohol und Wasser und machte mich daran, die Einschnitte zu schließen.
Die Stimmen der Männer waren nicht mehr als ein Flüstern, ein leises Rauschen, dem ich keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt hatte, so konzentriert hatte ich gearbeitet. Als ich mich jetzt jedoch entspannte und die Wunde zu nähen begann, kamen sie mir wieder zu Bewusstsein.
»Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln …«
Ich blickte auf, wischte mir mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und sah, dass Thomas Christie die kleine Bibel jetzt geschlossen hatte und sie mit dem freien Arm an sich gedrückt hielt. Er hatte das Kinn fest auf die Brust gelegt, die Augen geschlossen, und sein Gesicht war schmerzverzerrt.
Jamie hielt nach wie vor seinen angebundenen Arm fest, hatte die andere Hand aber auf Christies Schulter liegen und den Kopf dicht neben Christies gesenkt; auch er hatte die Augen geschlossen, während er seinen Text flüsterte.
»Und ob ich schon wandere im tiefen Tal, fürchte ich kein Unglück …«
Ich verknotete den letzten Faden, kürzte seine Enden, schnitt mit derselben Bewegung die Leinenbandagen durch und hörte auf, den Atem anzuhalten. Die Stimmen der Männer verstummten abrupt.
Ich hob die Hand, wickelte einen frischen Verband fest darum und zog die verkrümmten Finger vorsichtig gerade.
Christie öffnete langsam die Augen. Die Pupillen hinter seinen Brillengläsern waren groß und schwarz, als er blinzelnd auf seine Hand blickte. Ich lächelte ihm zu und tätschelte sie.
»Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang« , zitierte ich leise. »Und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.«
24
Rühr mich nicht an
Christies Puls ging ein wenig zu schnell, doch er war kräftig. Ich legte sein Handgelenk hin, das ich festgehalten hatte, und hielt ihm den Handrücken an die Stirn.
»Ihr habt leichtes Fieber«, sagte ich. »Hier, trinkt das.« Ich schob ihm eine Hand in den Rücken, um ihm beim Hinsetzen im Bett zu helfen, was ihn in Alarm versetzte. Er setzte sich unter fliegenden Bettdecken auf und atmete scharf ein, als er sich dabei die verletzte Hand stieß.
Ich gab taktvoll vor, seine Bestürzung nicht zu bemerken, die ich der Tatsache zuschrieb, dass er im Hemd war und ich mich schon für die Nacht umgezogen hatte. Ich hatte zwar den Anstand gewahrt und mir ein leichtes Schultertuch über mein Leinennachthemd gelegt, doch ich war mir hinreichend sicher, dass er seit dem Tod seiner Frau nicht mal in die Nähe einer unvollständig bekleideten Frau gekommen war – falls überhaupt jemals.
Ich murmelte etwas Bedeutungsloses und hielt den Becher mit Schwarzwurzeltee für ihn fest, dann schüttelte ich ihm tröstend, aber professionell die Kissen auf.
Anstatt ihn in
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