Ein Hauch von Schnee und Asche
nichts, gar nichts, tut mir Leid«, versicherte er mir hastig. Er zog die Hand fort, blieb aber auf mir liegen. Er wand sich ein wenig, und ich begriff, dass ihn der enge Kontakt erregt hatte, ob beabsichtigt oder nicht.
» Runter da!«, flüsterte ich außer mir.
»Hey, ich will doch gar nichts, ich meine, ich würde Ihnen doch nichts tun oder so. Ich hab nur keine Frau mehr gehabt, seit -«
Ich packte eine Hand voll seiner Haare, hob meinen Kopf und biss ihn fest ins Ohr. Er kreischte auf und rollte von mir herunter.
Der andere Mann war zum Feuer zurückgegangen. Jetzt drehte er sich jedoch um und rief: »Himmel, Donner, ist sie so gut? Dann muss ich es auch versuchen!« Er erntete Gelächter von den Männern, doch zum Glück verstummte
es, und sie wandten sich wieder ihren eigenen Angelegenheiten zu. Ich auch – und meine Angelegenheit war die Flucht.
»Musste das sein?«, jaulte Donner leise und hielt sich das Ohr. »Ich hätte doch gar nichts gemacht! Himmel, Sie haben hübsche Titten, aber Sie sind doch so alt, Sie könnten glatt meine Mutter sein!«
»Klappe!«, sagte ich und setzte mich mühsam auf. Mir wurde schwindelig vor Anstrengung; winzige bunte Lichter flimmerten wie eine weihnachtliche Lichterkette am Rand meines Gesichtsfeldes auf. Trotzdem hatte ein Teil meines Gehirns den Betrieb wieder aufgenommen.
Er hatte zumindest teilweise Recht. Wir konnten nicht sofort gehen. Nachdem er so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, würden die anderen erwarten, dass er nach ein paar Minuten zu ihnen zurückkehrte; wenn nicht, würden sie anfangen, nach ihm zu suchen – und wir brauchten mehr als nur ein paar Minuten Vorsprung.
»Wir können jetzt nicht gehen«, flüsterte er und rieb sich vorwurfsvoll das Ohr. »Sie würden es merken. Warten Sie, bis sie einschlafen, dann komme ich Sie holen.«
Ich zögerte. Ich war in Lebensgefahr, solange ich in Reichweite Hodgepiles und seiner wilden Bande verbrachte. Wenn ich überhaupt Beweise dafür gebraucht hätte, hatten es mir die Ereignisse der letzten beiden Stunden gezeigt. Dieser Donner musste sich wieder am Feuer zeigen – aber ich konnte mich davonstehlen. Lohnte es das Risiko, dass jemand mein Fehlen bemerkte, bevor ich weit genug weg war, um vor einer Verfolgung sicher zu sein? Es würde sicherer sein zu warten, bis sie schliefen. Aber konnte ich es wagen, so lange zu warten?
Und dann war da noch Donner selbst. Wenn er mit mir reden wollte, wollte ich erst recht mit ihm reden. Die Chance, über einen anderen Zeitreisenden zu stolpern …
Donner bemerkte mein Zögern, interpretierte es jedoch falsch.
»Sie gehen nicht ohne mich!« Er packte mich plötzlich alarmiert am Handgelenk, und bevor ich es ihm entreißen konnte, hatte er ein Stück des zerschnittenen Seils darum geschlungen. Ich wehrte mich, wich zurück und zischte ihn an, um es ihm zu erklären, doch der Gedanke, dass ich ohne ihn davonschlüpfen könnte, versetzte ihn in Panik, und er war nicht dazu zu bringen, mir zuzuhören. Da ich durch meine Verletzungen im Nachteil war und nicht so viel Lärm machen wollte, dass wir noch mehr Aufmerksamkeit erregten, konnte ich seine entschlossenen Bemühungen, mich wieder zu fesseln, nur hinauszögern, aber nicht verhindern.
»Okay.« Er schwitzte; ein warmer Tropfen fiel auf mein Gesicht, als er sich über mich beugte, um die Fesseln zu überprüfen. Immerhin hatte er mir die Schlinge nicht wieder um den Hals gelegt, sondern mich mit einem Seil um die Taille an den Baum gebunden.
»Ich hätte wissen müssen, wer Sie sind«, murmelte er, ganz auf seine
Arbeit konzentriert. »Schon bevor Sie ›Jesus H. Roosevelt Christ‹ gesagt haben.«
»Was zum Teufel meinst du damit?«, fuhr ich ihn an und versuchte, mich seiner Hand zu entwinden. »Tu das nicht – ich werde ersticken!« Er versuchte, mir den Stoffstreifen wieder in den Mund zu schieben, schien aber den panischen Unterton in meiner Stimme aufzufangen, denn er zögerte.
»Oh«, sagte er verunsichert. »Na ja. Schätze -« Er sah sich noch einmal um, fasste dann aber seinen Entschluss und ließ den Knebel auf den Boden fallen. »Okay. Aber Sie sind still, okay? Was ich gemeint habe – Sie verhalten sich nicht so, als hätten Sie Angst vor Männern. Die meisten Frauen dieser Zeit tun das. Sie sollten mehr Angst zeigen.«
Und mit diesem Seitenhieb erhob er sich und strich sich das Laub aus den Kleidern, bevor er wieder auf das Feuer zuhielt.
Irgendwann kommt ein Punkt, an dem der
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