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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ließ meine eigene Nase dröhnen. Ich zog sie hoch, betupfte sie vorsichtig mit dem Handrücken und schenkte mir Wein nach.
    »Wie bist du entkommen?«
    »Habe ihm die Muskete abgenommen und sie beide damit erschlagen.«
    Er sprach ruhig und beinahe tonlos, doch seine Stimme hatte einen merkwürdigen Beiklang, der meinen Magen beklommen rumoren ließ. Er war noch zu frisch, dieser Anblick der Blutstropfen, die im Licht der Morgendämmerung in den Härchen auf seinem Arm glänzten. Zu frisch, dieser Unterton – was war es? Genugtuung? – in seiner Stimme.
    Plötzlich war ich so unruhig, dass ich nicht mehr still sitzen konnte. Sekunden zuvor war ich noch so erschöpft gewesen, dass es mir die Knochen erweichte; jetzt musste ich mich bewegen. Ich stand auf und beugte mich über die Fensterbank. Der Sturm war im Anmarsch; der Wind wurde stärker und wehte mir das frisch gewaschene Haar aus dem Gesicht, und in der Ferne blitzte es.
    »Es tut mir Leid, Sassenach«, sagte Jamie mit sorgenvoller Stimme. »Ich hätte es dir nicht erzählen sollen. Geht es dir so nahe?«
    »Ob es mir nahe geht? Nein, nicht das.«
    Meine Worte klangen ein wenig kurz angebunden. Warum hatte ich ihn nur ausgerechnet nach seiner Nase gefragt? Warum jetzt, wo ich doch jahrelang ganz zufrieden gelebt hatte, ohne es zu wissen?
    »Was denn dann?«, fragte er leise.
    Was mir nahe ging, war die Tatsache, dass der Wein seine Aufgabe, mich
zu betäuben, wunderbar erledigt hatte; jetzt hatte ich die Wirkung ruiniert. Sämtliche Bilder der vergangenen Nacht waren wieder in meinem Kopf, in bunten Technicolorfarben getüncht durch jenen simplen Satz, dieses ach-sosachliche: »Ich habe ihm die Muskete abgenommen und sie beide damit erschlagen.« Und sein unausgesprochenes Echo: Ich bin es, der für sie tötet.
    Am liebsten hätte ich mich übergeben. Stattdessen trank ich noch mehr Wein, ohne ihn auch nur zu schmecken, schluckte ihn hinunter, so schnell ich konnte.
    »Was mir nahe geht – nahe geht! Was für ein albernes Wort! Was mich absolut zum Wahnsinn treibt, ist die Tatsache, dass ich irgendjemand hätte sein können, irgendetwas – ein warmer Fleck mit weichen Stellen zum Drücken, der zufällig gerade da war – Gott, ich bin für sie nicht mehr gewesen als ein Loch !«
    Ich schlug mit der Faust auf die Fensterbank; aufgebracht über den wirkungslosen, dumpfen Knall, ergriff ich meinen Becher und schleuderte ihn gegen die Wand.
    »Mit Black Jack Randall war es anders, oder?«, wollte ich wissen. »Er wusste, wer du warst, nicht wahr? Er hat dich gesehen, als er dich benutzt hat – es wäre nicht dasselbe gewesen, wenn du irgendjemand gewesen wärst – er wollte dich .«
    »Mein Gott, und du glaubst, das war besser?«, entfuhr es ihm, und er sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.
    Ich hielt keuchend inne, und mir war schwindelig.
    »Nein.« Ich ließ mich auf den Hocker sinken und schloss die Augen. Ich spürte, wie sich das Zimmer um mich drehte, und sah bunte Lichter wie die Leuchten eines Karussells hinter meinen Augen. »Nein. Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass Jack Randall ein perverser, verdammter, Eins-A-Soziopath war, und das – das – »Ich wedelte mit der Hand, denn mir fiel kein passendes Wort ein. »Das waren nur… Männer.«
    Ich sprach das letzte Wort mit einer Verachtung aus, die selbst für mich deutlich war.
    »Männer«, sagte Jamie, und seine Stimme klang seltsam.
    »Männer«, sagte ich. Ich öffnete die Augen und sah ihn an. Meine Augen fühlten sich heiß an, und ich hatte das Gefühl, dass sie rot glühen mussten wie die eines Opossums im Fackelschein.
    »Ich habe einen verdammten Weltkrieg überlebt«, sagte ich mit leiser, giftiger Stimme. »Ich habe ein Kind verloren. Ich habe zwei Ehemänner verloren. Ich habe mit einer Armee Hunger gelitten, bin zusammengeschlagen und verwundet worden, ich bin herumkommandiert, verraten, eingekerkert und überfallen worden!« Meine Stimme erhob sich, doch ich war nicht in der Lage, es zu verhindern. »Und jetzt soll ich daran zerbrechen, dass ein paar heruntergekommene Taugenichtse, die sich als Männer ausgeben, ihre widerwärtigen, kleinen Anhängsel zwischen meine Beine gesteckt und damit
gewackelt haben?« Ich stand auf, packte die Kante des Waschtischs und kippte ihn um, so dass alles krachend durch das Zimmer flog – die Schüssel, der Krug und die brennende Kerze, die prompt erlosch.
    »Nun, das werde ich nicht tun«, sagte ich ganz ruhig.
    »Widerwärtige, kleine

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