Ein Hauch von Schnee und Asche
hinaus, durch ihn hindurch – doch dann schärfte sich ihr Blick wieder, und sie sah ihn direkt an, zum ersten Mal, seit er sie heimgebracht hatte.
»Sicher«, flüsterte sie und schloss die Augen. Sie holte ein einziges Mal tief Luft, und ihr ganzer Körper entspannte sich und wurde schlaff und schwer wie ein sterbender Hase.
Er hielt sie fest, beide Arme um sie geschlungen, als wollte er sie vor dem Ertrinken retten, doch er fühlte sie dennoch dahinsinken. Er hätte ihr gern zugerufen, nicht zu gehen, ihn nicht allein zu lassen. Sie verschwand in den Tiefen des Schlafs, und er sehnte sich ihr nach, wünschte sich Heilung für sie, fürchtete ihre Flucht und senkte den Kopf, um sein Gesicht in ihrem Haar und ihrem Duft zu vergraben.
Der Wind ließ im Vorbeiwehen die offenen Fensterläden knallen, und draußen in der Dunkelheit rief eine Eule, die sich vor dem Regen versteckte, und eine andere antwortete ihr.
Dann weinte er, lautlos, die Muskeln bis zur Schmerzgrenze angespannt, um nicht zu zittern, damit sie nicht erwachte und es merkte. Er weinte, bis er leer war und sein Atem keuchte, das Kissen nass unter seinem Gesicht. Dann lag er erschöpft da, über jeden Gedanken an Müdigkeit hinaus, zu weit vom Schlaf entfernt, um sich daran zu erinnern, wie er sich anfühlte. Sein einziger Trost war das kleine, so zerbrechliche Gewicht, das warm auf seinem Herzen lag und atmete.
Dann hoben sich ihre Hände und ruhten auf ihm, die trocknenden Tränen kühl auf seinem Gesicht, ihre weiße Haut rein wie der leise Schnee, der Brandspuren überdeckt und Blut und die Welt mit Frieden überzieht.
30
Der Gefangene
Es war ein stiller, heißer Morgen. Nur ein Specht klopfte an einen Baum, und irgendein Insekt erzeugte im hohen Gras hinter dem Haus ein Geräusch, das wie metallisches Schaben klang. Ich kam langsam die Treppe hinunter und empfand ein vages Gefühl der Körperlosigkeit – und wünschte mir, ich wäre körperlos, da ich fast überall Schmerzen hatte.
Mrs. Bug war heute Morgen nicht gekommen; vielleicht fühlte sie sich nicht gut. Oder vielleicht war sie auch noch unsicher, wie sie sich verhalten sollte, wenn sie mich sah, oder was sie dann zu mir sagen sollte. Mein Mund presste sich ein wenig zusammen; etwas, das ich nur bemerkte, weil der halb verheilte Riss in meiner Lippe dabei brannte.
Ich entspannte bewusst mein Gesicht und machte mich daran, die Kaffeeutensilien vom Küchenregal zu holen. Eine Karawane winziger, schwarzer Ameisen wanderte an der Regalkante entlang, und ein ganzer Schwarm umwimmelte die kleine Blechdose, in der ich meine Zuckerklümpchen aufbewahrte. Ich wischte sie mit einigen energischen Hieben meiner Schürze beiseite und nahm mir vor, mich auf die Suche nach Nelkenwurz zu begeben.
So unbedeutend dieser Beschluss auch war, danach ging es mir sofort besser, und ich fühlte mich weniger wackelig. Seit Hodgepile und seine Männer beim Malzschuppen aufgetaucht waren, war ich vollständig in der Hand anderer gewesen und hatte keinen unabhängigen Schritt tun können. Zum ersten Mal seit Tagen – es kam mir viel länger vor – konnte ich selbst entscheiden, was ich tun würde. Diese Freiheit kam mir sehr kostbar vor.
Nun gut, dachte ich. Was würde ich also tun? Ich würde… Kaffee trinken. Eine Scheibe Toast essen? Nein. Ich tastete vorsichtig mit der Zunge in meinem Mund umher; auf der einen Seite hatte ich mehrere lose Zähne, und meine Kiefermuskeln waren so wund, dass ernsthaftes Kauen nicht in Frage kam. Also nur Kaffee, und während ich ihn trank, würde ich entscheiden, wie mein Tag ablaufen sollte.
Zufrieden mit diesem Plan, stellte ich den einfachen Holzbecher zurück und deckte den Tisch stattdessen mit einer einzelnen Porzellantasse und -untertasse, ein zartes, mit Veilchen handbemaltes Stück, das Jocasta mir geschenkt hatte.
Jamie hatte vorhin schon das Feuer gestocht, und das Wasser im Kessel kochte: Ich schöpfte etwas Wasser, um die Kanne zu wärmen, spülte sie durch und öffnete die Hintertür, um es auszuschütten. Zum Glück sah ich zuerst hinaus.
Ian saß im Schneidersitz auf der Veranda, einen kleinen Schleifstein in der einen Hand, ein Messer in der anderen.
»Guten Morgen, Tante Claire«, sagte er fröhlich und zog das Messer über den Stein. Daher stammte das leise, monotone Schabegeräusch, das ich vorhin gehört hatte. »Geht’s dir besser?«
»Ja, gut«, versicherte ich ihm. Er zog skeptisch eine Augenbraue hoch und betrachtete mich von oben bis
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