Ein Hauch von Schnee und Asche
lächelte sie an. »Besser, oder?«
»Wirklich?«, sagte sie schwach. Dennoch hoben sich ihre Mundwinkel sacht, und sie zog eine Hand unter der Decke hervor und tastete nach ihm. Er ergriff sie und tätschelte sie.
»Manfred«, sagte sie und wandte mit halb geschlossenen Augen den Kopf hin und her. »Ist Manfred hier?«
»Äh … nein«, sagte ich und wechselte einen raschen, konsternierten Blick mit Ian. Wie viel hatte sie gehört? »Nein, er ist hier gewesen, aber – aber jetzt ist er fort.«
»Oh.« Sie schien das Interesse zu verlieren und schloss die Augen wieder. Ian blickte auf sie hinunter. Er streichelte immer noch ihre Hand. Sein Gesicht zeigte tiefes Mitgefühl – vielleicht mit einer Spur von Berechnung.
»Soll ich sie nach oben in ihr Bett tragen?«, fragte er leise, als schliefe sie. »Und mich dann vielleicht auf die Suche machen -?« Er wies mit dem Kopf zum offenen Fenster und zog eine Augenbraue hoch.
»Wenn du so lieb wärst, Ian.« Ich zögerte, und sein Blick traf den meinen, dunkelbraun und sanft vor Sorge und der Erinnerung an vergangenes Leid. »Es geht ihr bald wieder gut«, sagte ich und versuchte, Gewissheit in meine Worte zu legen.
»Aye, das wird es«, sagte er bestimmt und beugte sich über sie, um sie aufzuheben und die Decke unter ihr festzustecken. »Sofern ich dabei ein Wörtchen mitzureden habe.«
46
Von nun an ging’s bergab
Manfred McGillivray kam nicht zurück. Ian dagegen schon, mit einem blauen Auge und dem knappen Bericht, dass Manfred ihm seine feste Absicht mitgeteilt hatte, sich zu erhängen. Viel Glück wünschte er dem Hurenbock dabei, und mochten sich die fauligen Eingeweide des stinkenden kleinen Mistkerls entleeren wie die des Judas Ischariot. Damit stampfte er die Treppe hinauf und stand eine Weile schweigend Wache an Lizzies Bett.
Als ich das hörte, hoffte ich, dass Manfreds Ankündigung nur eine Eingebung aus der Verzweiflung des Augenblicks war – und verfluchte mich, weil ich ihm nicht sofort und in aller Deutlichkeit gesagt hatte, dass die Möglichkeit einer Heilung bestand, ob es nun die absolute Wahrheit war oder nicht. Er würde doch wohl nicht…
Lizzie war halb bei Bewusstsein, von glühendem Fieber und Schüttelfrost niedergestreckt – kein Zustand, in dem man ihr von der Fahnenflucht ihres Verlobten oder dem Grund dafür erzählen konnte. Sobald sie jedoch wieder auf den Beinen war, würde ich ihr vorsichtig ein paar Fragen stellen müssen, denn es bestand ja die Möglichkeit, dass sie und Manfred ihrem Ehegelübde zuvorgekommen waren, und wenn ja …
»Nun, ein Gutes hat die ganze Sache jedenfalls«, merkte Jamie grimmig an. »Die Beardsleys waren schon im Begriff, den guten Manfred aufzuspüren und zu kastrieren, aber nachdem sie gehört haben dass er vorhat, sich zu erhängen, haben sie großzügig beschlossen, dass sie damit ebenfalls leben können.«
»Man ist ja schon für Kleinigkeiten dankbar«, sagte ich und ließ mich am Tisch niedersinken. »Ich traue ihnen das tatsächlich zu.« Die Beardsleys, vor allem Josiah, waren hervorragende Spurenleser – und sie machten keine leeren Drohungen.
»Oh, sie würden es tun«, versicherte mir Jamie. »Sie waren allen Ernstes dabei, ihre Messer zu wetzen, als ich sie dabei angetroffen und ihnen gesagt habe, dass sie sich die Mühe sparen können.«
Ich verkniff mir ein Lächeln bei der Vorstellung, wie sich die Beardsleys Seite an Seite über einen Schleifstein beugten, identische Mienen düsterer
Rachsucht in den hageren, dunklen Gesichtern, doch der Humor verblasste schnell wieder.
»Oh, Gott. Wir müssen es den McGillivrays sagen.«
Jamie nickte und erbleichte bei dem Gedanken daran, schob aber seine Bank zurück.
»Am besten gehe ich sofort.«
»Nicht, ohne vorher etwas zu essen.« Mrs. Bug stellte ihm mit Nachdruck einen gefüllten Teller hin. »Ihr wollt Euch doch nicht auf nüchternen Magen mit Ute McGillivray einlassen.«
Jamie zögerte, fand ihre Begründung jedoch offensichtlich überzeugend, denn er griff nach seiner Gabel und widmete sich mit grimmiger Entschlossenheit seinem Schweineragout.
»Jamie …«
»Aye?«
»Vielleicht solltest du die Beardsleys bitten, Manfred aufzuspüren. Ich meine, nicht um ihm etwas anzutun – aber wir müssen ihn finden. Er wird daran sterben, wenn er nicht behandelt wird.«
Er hielt inne, eine Gabel voll Ragout auf halbem Weg zu seinem Mund, und betrachtete mich mit gesenkten Augenbrauen.
»Aye, und wenn sie ihn finden, wird er
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