Ein Hauch von Schnee und Asche
Welches Färbemittel brachte wohl Spirochäten zum Vorschein? Keine Ahnung; ich würde sie alle ausprobieren.
Ich erklärte Ian die ganze Sache mit abgehackten Sätzen, während ich die Fläschchen mit den Färbemitteln aus dem Schrank holte, die Lösungen ansetzte und die Objektträger darin tränkte.
»Syphilis? Der arme Kerl; er muss ja fast verrückt sein vor Angst.« Er ließ Lizzies salbenglänzenden Arm unter die Decke gleiten, die er dann sanft um sie legte.
Im ersten Moment überraschte mich sein Mitgefühl, doch dann fiel mir wieder ein, dass Ian vor einigen Jahren nach seiner Entführung durch Geillis Duncan mit der Syphilis in Kontakt gekommen war; ich war zwar nicht sicher gewesen, dass er die Krankheit hatte, hatte ihn aber vorsichtshalber mit meinem letzten Penizillin aus dem zwanzigsten Jahrhundert behandelt.
»Aber hast du ihm denn nicht gesagt, dass du ihn heilen kannst, Tante Claire?«
»Dazu bin ich nicht gekommen. Obwohl ich, ehrlich gesagt, auch nicht sicher bin, ob ich es kann.« Ich setzte mich auf einen Hocker, ergriff Lizzies andere Hand und tastete nach ihrem Puls.
»Nicht?« Jetzt hoben sich seine feinen Augenbrauen. »Du hast mir doch gesagt, ich wäre geheilt.«
»Das bist du auch«, versicherte ich ihm. »Falls du die Krankheit überhaupt gehabt hast.« Ich musterte ihn scharf. »Du hattest doch noch nie eine wunde Stelle an deinem Glied, oder? Oder sonst irgendwo?«
Er schüttelte stumm den Kopf, und eine dunkle Röte stieg ihm in die hageren Wangen.
»Gut. Aber das Penizillin, das ich dir gegeben habe – das hatte ich noch mitgebracht von – nun, von vorher. Es war gereinigt – sehr kräftig und mit Sicherheit wirksam. Wenn ich das hier verwende -«, ich wies auf die Schalen mit den Kulturen auf der Arbeitsfläche, »weiß ich nie genau, ob es stark genug ist, um etwas zu bewirken, oder ob es überhaupt der richtige Stamm ist…« Ich fuhr mir mit dem Handrücken unter der Nase entlang; die Gallbeerensalbe roch absolut penetrant .
»Es wirkt nicht immer.« Ich hatte schon mehr als einmal Patienten mit Infektionen gehabt, die nicht auf mein Penizillingebräu ansprachen – obwohl ich in diesen Fällen meistens beim nächsten Versuch Erfolg gehabt hatte. Ein paar Mal hatte sich die Person erholt, bevor die zweite Kultur fertig war. In einem Fall war der Patient gestorben, obwohl ich ihm zwei verschiedene Penizillinmixturen verabreicht hatte.
Ian nickte langsam, den Blick auf Lizzies Gesicht gerichtet. Die erste Schüttelfrostattacke war verebbt, und sie lag still. Die Decke bewegte sich kaum über der flachen Rundung ihrer Brust.
»Wenn du dir nicht sicher bist, dann… lässt du doch wohl nicht zu, dass er sie heiratet?«
»Ich weiß es nicht. Jamie hat gesagt, er würde mit Mr. Wemyss sprechen, um zu hören, wie er über die ganze Sache denkt.«
Ich erhob mich und zog den ersten Objektträger aus seinem hellroten Bad, schüttelte die letzten Tropfen ab, wischte die Unterseite der Glasscheibe trocken und legte sie vorsichtig unter mein Mikroskop.
»Wonach suchst du denn, Tante Claire?«
»Etwas, das man Spirochäten nennt. Das sind die Keime, die Syphilis verursachen.«
»Oh, aye.« Trotz des Ernstes der Lage lächelte ich, als ich die Skepsis in seiner Stimme hörte. Ich hatte ihm schon öfter Mikroorganismen gezeigt, doch genau wie Jamie – genau wie fast alle anderen auch – konnte er einfach nicht glauben, dass etwas so gut wie Unsichtbares Schaden anrichten konnte. Die Einzige, die diese Vorstellung ohne Widerrede akzeptierte, war Malva Christie, und in ihrem Fall hatte ich den Eindruck, dass dies einfach an dem Vertrauen lag, das sie in mich setzte. Wenn ich ihr etwas erzählte, glaubte sie mir; sehr erfrischend, nachdem mich jahrelang ein Schotte nach dem anderen mit Argwohn in verschiedenen Abstufungen angeblinzelt hatte.
»Meinst du, er ist nach Hause gegangen? Manfred?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich geistesabwesend, während ich den Objektträger langsam und suchend hin und her schob. Ich konnte die roten Blutkörperchen gut ausmachen, blassrote Scheiben, die durch mein Gesichtsfeld trieben und träge in der wässrigen Farbe schwammen. Tödliche Spiralen waren nicht zu sehen – was aber nicht bedeutete, dass keine da waren, sondern nur, dass mein Färbemittel sie möglicherweise nicht sichtbar machte.
Lizzie regte sich und stöhnte, und als ich mich umdrehte, sah ich, wie sich ihre Augen zitternd öffneten.
»So, Kleine«, sagte Ian leise und
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